Welt

Der verzweifelte Fluchtversuch eines Rekruten: "Weiter nach Osten"

2024-12-17

Autor: Noah

Aljoscha, ein junger Mann von kaum zwanzig Jahren, findet sich in einer auswegslosen Situation wieder. Zusammen mit anderen jungen Rekruten sitzt er in einem überfüllten dritten Klassenabteil der Transsibirischen Eisenbahn, während er in eine Kaserne der russischen Armee in Ostsibirien unterwegs ist. Es ist das Jahr 2010 und der Gedanke an das bevorstehende militärische Drill und den Kriegsszenarien, die ihn erwarten, erschwert seine Reise erheblich.

In dem fesselnden Kurzroman „Weiter nach Osten“, verfasst von der französischen Autorin Maylis de Kerangal, wird Aljoschas Angst vor den brutalen Misshandlungen in der russischen Armee lebendig. Die Praktiken, die als „Dedowschtschina“ bekannt sind – eine Form von Mobbing, bei der erfahrene Soldaten die neuen Rekruten schikanieren – machen dem Protagonisten zu schaffen. Die Albträume, die ihn plagen, sind nicht nur das Ergebnis seiner Vorstellungskraft, sondern repräsentieren die Realität vieler junger Männer, die gezwungen sind, ihren Dienst zu leisten, während sich die Geopolitik um sie herum zunehmend zuspitzt.

De Kerangal selbst ist keine Russland-Expertin, hat jedoch 2010 das Land besucht und ist von der Konfrontation zwischen unschuldigen Touristen und den Rekruten, die in eine brutale Welt geworfen werden, tief berührt. Während ihrer Zugfahrt bemerkte sie, wie die jungen Männer in einem dunklen Abteil eingepfercht sind, während sie selbst im Luxus reist. Diese Kontraste zwischen Reisen und Zwangsrekrutierung haben sie dazu inspiriert, Aljoschas Geschichte zu schreiben.

Dieser fiktive Rekrut plant, seinem schrecklichen Schicksal zu entkommen und findet dabei unerwartet Unterstützung von einer französischen Touristin in der ersten Klasse. Das Motiv hinter der Unterstützung dieser Fremden bleibt undurchsichtig, aber sie erkennt in Aljoscha ein verletzliches Wesen und möchte ihm helfen. Ihre unerwartete Freundschaft gibt dem jungen Rekruten bis zum Schluss Hoffnung und zeigt, dass selbst in den dunkelsten Zeiten Menschlichkeit und Solidarität bestehen können.

„Weiter nach Osten“ ist mehr als nur ein Roman über Angst und Flucht. Es ist ein eindringlicher Appell für Menschlichkeit inmitten von Krieg und Gewalt. Maylis de Kerangal schafft es, tiefe emotionale Resonanz zu erzeugen und gleichzeitig die Schrecken des Militärdienstes in Russland zu thematisieren, eine Thematik, die angesichts der aktuellen geopolitischen Entwicklungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt, brandaktuell ist. Am Ende des Buches bleibt die Frage: Kann die Hoffnung auf Frieden die Härte und Grausamkeit des Krieges überwiegen?