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Revolutionäre Maßnahme gegen den Personalmangel: Reformierte Kirchen starten Dreimonats-Ausbildung für Pfarrer

2024-12-24

Autor: Nina

Die Aufgaben von Pfarrerinnen und Pfarrern sind vielfältig und fordernd: Sie predigen im Gottesdienst, bieten Trost in schwierigen Lebenslagen, unterrichten Kinder im Konfirmationsunterricht, gestalten Hochzeiten und taufen Neugeborene. Diese anspruchsvollen Tätigkeiten sollen nun innerhalb von nur drei Monaten erlernt werden, was öffentlicht für Diskussionen sorgt.

Thomas Schaufelberger, der die Ausbildung von Pfarrpersonen in den evangelisch-reformierten Landeskirchen der Deutschschweiz koordiniert, gibt offen zu, dass der Vorschlag nicht perfekt ist und als Notlösung gedacht ist. „Wir müssen dringend handeln“, betont er.

Akademiker ab 55 Jahren gesucht

In den kommenden Jahren werden in den reformierten Kirchen über 300 Pfarrerinnen und Pfarrer fehlen, hauptsächlich aufgrund der Pensionierung der Babyboomer-Generation. Gleichzeitig gibt es einen alarmierenden Mangel an Nachwuchs, selbst bei bestehenden Programmen für Quereinsteiger. Um diese Lücke zu schließen, plant Schaufelberger, Menschen über 55 Jahre zu rekrutieren, die bereits über eine akademische Ausbildung verfügen und bestimmte persönliche Qualitäten mitbringen müssen. „Die Bewerber sollten gut kommunizieren, empathisch und belastbar sein“, ergänzt er. Nach der schnellen dreimonatigen Ausbildung sollen diese Personen als Pfarrverwalter oder Pfarrverwalterinnen in die Kirchen eintreten können.

Kritik: Fehlendes Bibelwissen als großes Manko

Die erforderlichen theologischen Fragen und das Wissen um die Bibel sollen die Kandidaten in einem dreijährigen Abendkurs erlernen. Hierhin richtet sich jedoch die Hauptkritik. Hansjakob Schibli, ein erfahrener Vize des Pfarrvereins, warnt davor, dass eine solide Bibelkenntnis unerlässlich ist, damit die Pfarrer die Gemeindemitglieder ermutigen können, ihre eigenen Gedanken und Überzeugungen zu entwickeln. „Gerade in einer Zeit, in der die Mitgliederzahlen zurückgehen, braucht die reformierte Kirche kompetente Pfarrer“, fügt Schibli hinzu.

Es ist jedoch unbestreitbar, dass Handlungsbedarf besteht. Viele Pfarrstellen bleiben unbesetzt, und Schibli selbst, der mit über 70 immer noch tätig ist, erkennt den Druck, unter dem die Kirchen leiden. In der Romandie dürfen Personen mit sozialer Ausbildung bereits die Aufgaben von Pfarrern übernehmen und Schibli meint: „Wir müssen aus der Not eine Tugend machen.“

Angst vor Konkurrenz für Quereinsteiger

Der Verein Quest Netzwerk, der Quereinsteiger und Absolventen unterstützt, äußert ebenfalls Bedenken. Die Sorge besteht, dass die neue Schnell-Ausbildung den bisherigen Studiengängen schaden könnte. Stattdessen plädieren sie dafür, die Quereinstiegsmöglichkeiten zu verbessern. Schaufelberger hat jedoch betont, dass sein Plan A sich speziell an Personen über 55 richtet und somit nicht in Konkurrenz zu bestehenden Programmen steht. Er bekräftigt, dass „Plan P“ lediglich als kurzfristige Maßnahme konzipiert ist.

Ob diese Maßnahme tatsächlich umgesetzt wird, bleibt abzuwarten, da sich die verantwortlichen Landeskirchen zurzeit in der Vernehmlassung befinden. Die Zukunft der reformierten Kirchen könnte von dieser entscheidenden Initiative abhängen, und die Dringlichkeit, qualifizierte Pfarrpersonen zu finden, könnte unser Bild der Kirche für immer verändern.