Welt

Syrer feiern neue Regierung – doch die Angst vor den Islamisten bleibt groß

2024-12-23

Autor: Louis

Nach dem überraschenden Sturz von Baschar al-Assad in Syrien feiern die Menschen in Damaskus die neuen Machthaber. Die Hoffnung auf Veränderung ist spürbar, doch im Schatten der Euphorie schwingt auch eine tiefe Angst vor den Islamisten mit. Viele junge Syrer befürchten, dass die militant-islamistische HTS-Miliz (Haiat Tahrir al-Scham) ihre Repressionen weiter verstärken könnte.

„Wir haben Hoffnung. Und wir haben Angst“, sagt Rasha, eine 27-jährige Demonstrantin. Täglich haben die Syrer unter einem repressiven Regime gelitten, und viele glauben, die nächsten Monate könnten entscheidend für die Zukunft des Landes sein. Rasha erklärt: „Die alte Regierung hat es vorgezogen, nur ihren Anhängern zu helfen, während der Rest des Volkes nichts bekam. Nach dem Fall Assads droht jetzt jedoch das totale Chaos.“

Trotz der aktuellen Unsicherheit glaubt sie, dass die neue Regierung möglicherweise nicht in der Lage sein wird, die Situation langfristig zu kontrollieren. „Sie versucht zwar, die Hetze gegen andere religiöse und ethnische Gruppen in Schach zu halten, doch diese Kräfte sind nach wie vor präsent. Wenn sie an Einfluss gewinnen, kann das zu Gewaltausbrüchen führen.“

Die Demonstrationen auf dem Umayyaden-Platz sind eine Seltenheit. Über Jahrzehnte wurden die Syrer ihrer Grundrechte beraubt, konnten sich nicht frei äußern oder versammeln. Die „Secular Youth Rally“ zieht vor allem junge Menschen an. Plakate mit Forderungen nach Demokratie und Gleichheit zieren die Versammelten. „Wir wissen, dass die neue Regierung nicht in ein paar Monaten alles reparieren kann“, sagt Rasha. „Es braucht Zeit. Aber die Frage ist, ob wir diese Zeit haben.“

Asmah, 23 Jahre alt, zeigt sich optimistischer: „Ich wünsche mir ein freies, friedliches und vereintes Syrien.“ Die neue Regierung habe ihren Fokus auf Frauenrechte gelegt und viele sehen sie als vielversprechend an. Dennoch gibt es ernste Bedenken, nachdem ein Sprecher von HTS angedeutet hat, Frauen wären biologisch nicht für Führungspositionen geeignet. Diese Äußerung hat in sozialen Medien einen Sturm der Entrüstung ausgelöst und spiegelt die Sorgen wider, dass die neue Regierung disziplinarische Maßnahmen anordnen könnte.

Zudem gibt es Besorgnis über die Präsenz der HTS-Miliz in Damaskus. Die Kämpfer, oft mit ihren vollverschleierten Frauen, haben die Straßen übernommen. Diese Atmosphäre der Angst hindert viele daran, ihre Stimmen zu erheben. Yara, 29 Jahre alt, drückt diese Sorge aus: „Wir haben Angst davor, was passiert, wenn Islamisten an der Macht sind. Das könnte zu einer Kopftuchpflicht führen und wieder Chaos und Gewalt auslösen.“

Die Befürchtungen einer streng religiösen Ordnung sind weit verbreitet. Rozan, 34, sagt: „Es gibt so viele religiöse Gruppen in Syrien – eine solche Ordnung würde hier nicht funktionieren. Wir träumen von einer neuen Zukunft." Sie ergänzt: „Wir hoffen, dass wir in der neuen Regierung endlich auch Rechte erhalten. Freiheit und Gleichheit für alle Bürger, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit, sind unerlässlich. Wir sind alle Syrer und müssen unser Land gemeinsam wieder aufbauen.“

Eine bevorstehende zweite Freitagsfeier wird bereits mit Argwohn erwartet. Tausende von Teilnehmern, vor allem aus Idlib, werden am Umayyaden-Platz erwartet, mit einem Programm, das die Sorgen der Demonstrierenden noch verstärken könnte. Die Teilnahme an dieser Feier könnte den Aufstieg islamistischer Kräfte bedeuten, was für die jungen Menschen, die für Freiheit und Gleichheit kämpfen, sehr beunruhigend ist. Die Zukunft Syriens bleibt also ungewiss, während die Menschen darauf warten, ob ihre Hoffnungen und Ängste in den nächsten Monaten Wirklichkeit werden.