Industriepolitik in Afrika: Was der Westen von China lernen kann
2024-11-16
Autor: Emma
In Europa sind Tecno oder Infinix weitgehend unbekannt, doch in Afrika dominieren die chinesischen Marken den Smartphone-Markt mit einem Marktanteil von über 40 Prozent. Transsion, der Mutterkonzern von Tecno, wird nicht umsonst als der "König von Afrika" bezeichnet. Auf den Straßen von Nairobi, Accra und Lagos sieht man kaum Werbung für iPhones – stattdessen prägen blaue Tecno-Schilder das Stadtbild.
Wie hat es der chinesische Konzern geschafft, sich so stark durchzusetzen? Ken Gichinga, ein angesehener Wirtschaftswissenschaftler und Berater bei Mentoria, erklärt: „Ich habe mir irgendwann ein chinesisches Gerät gekauft, denn das hat mehrere Slots für SIM-Karten.“ Diese Anpassung an lokale Gegebenheiten ist eines der Schlüsselrezepte für den Erfolg von Tecno.
In vielen afrikanischen Ländern haben die Menschen SIM-Karten von mehreren Anbietern, um den besten Empfang oder den günstigsten Preis zu erzielen. Im Gegensatz dazu bietet das iPhone Platz für nur eine SIM-Karte – ein klarer Nachteil.
Zudem haben die Macher bei Tecno die Handykameras angepasst, um dunklere Hauttöne besser zu erfassen, während westliche Technologien oft enttäuschende Ergebnisse liefern. Auch die Audioqualität der Geräte ist für laute Umgebungen optimiert, weil viele Afrikaner ihre Smartphones als Lautsprecher nutzen. Ein weiterer entscheidender Vorteil ist die längere Akkulaufzeit der Geräte, was besonders in Regionen mit unzuverlässiger Stromversorgung von Bedeutung ist.
Transsion entwickelt seine Smartphones speziell für den afrikanischen Markt und verkauft viele Modelle ausschließlich dort. Der Konzern hat mittlerweile einen eigenen Streaming-Dienst für afrikanische Musik, ähnlich wie Spotify, mit über 90 Millionen Nutzern. „Die Chinesen sind eindeutig besser darin, sich an die speziellen Bedürfnisse in Afrika anzupassen. Sie fragen nach, was gebraucht wird, während westliche Firmen sich auf schickes Design konzentrieren“, so Gichinga.
Aktuell expandiert Transsion sogar in neue Märkte in Lateinamerika, Asien und Osteuropa. Mit 194 Millionen verkauften Geräten im Jahr 2023, von denen die Hälfte in Afrika verkauft wurde, gehört das Unternehmen bereits zu den fünf größten Smartphone-Herstellern weltweit. Ihre Wachstumsrate übertrifft die der Konkurrenz, zehnmal höher als die von Apple.
Anfängliche Bedenken über datenschutzrechtliche Fragen und den Einsatz von künstlicher Intelligenz spielen für die afrikanischen Verbraucher eine untergeordnete Rolle. Gichinga erklärt, dass bei einer Bevölkerung von durchschnittlich 19 Jahren funktionierende Smartphones entscheidend sind, unabhängig davon, ob sie aus China oder dem Westen stammen.
Während Chinas Rolle in Afrika von vielen kritisch betrachtet wird – insbesondere aufgrund von Infrastrukturprojekten, die teils in der Schuldenfalle endeten – bleibt das Land dennoch ein gefragter Geldgeber. Anders als westliche Staaten stellen die Chinesen oft keine unangenehmen Fragen zu Menschenrechten. Unterdessen sehen wir auch andere Länder, wie die Türkei, die sich zunehmend in Afrika engagieren, indem sie große Infrastrukturprojekte übernehmen.
Die Konkurrenz wächst: Viele Haushaltsgeräte in großen Supermärkten sind nun chinesisch, während Premium-Marken oft als unerschwinglich gelten. Die Preisgestaltung ist für viele afrikanische Verbraucher entscheidend, da die Mittelschicht zwar wächst, aber noch nicht groß genug ist, um Luxusgüter in großen Mengen zu kaufen. Chinas Ansatz – niedrige Preise und Massenproduktion – ist derzeit unerreicht.
Das Image chinesischer Produkte ändert sich, besonders evident am Beispiel von Tecno, das jetzt auch teurere Smartphones anbietet, die in Afrika gezielt vermarktet werden. Doch die Konkurrenz aus China selbst nimmt zu, mit neuen Marken wie Oppo im Rennen um Marktanteile.
Der Finanzchef von Transsion wurde kürzlich in Peking unter mysteriösen Umständen festgenommen, was den Aktienkurs des Unternehmens belastete. Während Gichinga glaubt, dass westliche Unternehmen die Chancen in Afrika erkennen sollten, weist Carsten Ehlers von Germany Trade and Invest darauf hin, dass Deutschland aufgrund eines gesunkenen Exportvolumens nach China und dem Verlust des russischen Marktes besonders auf neue Absatzmärkte angewiesen ist.
Unternehmen müssen sich darauf einstellen, die lokalen Besonderheiten zu verstehen, um inkremental in den afrikanischen Markt einzutreten und ihre Produkte anzupassen. Die afrikanische Jugend hat eine hohe Affinität zu Technologie und neue Produkte, wodurch gute Geschäftsmöglichkeiten entstehen. Letztlich werden die Unternehmen, die Innovation und Service anbieten, im Wettbewerb bestehen können.