Unwetter im Maggiatal - Neun Menschen harren nach Jahrhundertunwetter im Bavonatal aus
2024-12-27
Autor: Gabriel
Lukas Dreyer stapft durch den Schnee, der sich wie ein dicker Teppich über das kleine Weiler Fontana gelegt hat. Alles wirkt friedlich und fast idyllisch, doch diese Ruhe täuscht. «Vor einem halben Jahr hat die Schlammlawine mein Auto mitgerissen», erzählt der pensionierte IT-Fachmann und zeigt in Richtung des Berges. Sein Haus, das keine 15 Meter entfernt steht, blieb unversehrt – im Gegensatz zu anderen Gebäuden im Tal.
Der letzte Bewohner von Fontana
«Es hat sich angefühlt wie ein Erdbeben», erinnert er sich an die Nacht Ende Juni, als eine gewaltige Schlammlawine ins Tal stürzte, ausgelöst durch heftige Regenfälle. Tragischerweise verloren drei deutsche Touristinnen in Fontana ihr Leben. Insgesamt kamen sieben Menschen ums Leben und eine Person – ein Jugendlicher aus der Region – wird immer noch vermisst. Trotz dieser Tragödie hatte Dreyer Glück. Bereits drei Wochen nach der Katastrophe zog er in sein Haus zurück – als einziger ständiger Bewohner von Fontana.
Angst, dass dies wieder geschehen könnte, hat er nicht. «Die Gefahr ist jetzt gebannt», sagt er überzeugt. Seine Zuversicht spiegelt sich in der Gemeinde wider, die gemeinsam versucht, die Schäden zu beheben und sich auf die kommenden Herausforderungen vorzubereiten.
Ein Leben zwischen Naturgewalt und Existenzangst
Sieben Kilometer weiter oben im Tal, im Weiler Sonlerto, lebt Silvana Rodriguez mit ihrem Partner und ihrer fünfjährigen Tochter. Auch sie hat keine Angst vor der Natur, obwohl das Bavonatal schon mehrfach von Erdrutschen heimgesucht wurde.
«Wer hier lebt, akzeptiert, dass die Natur stärker ist als wir», sagt sie. Dennoch belastet sie die finanzielle Unsicherheit. Sie betreibt ein kleines Bed and Breakfast und einen Kiosk, die beide seit dem Unwetter geschlossen sind. Ihr Partner pendelt für eine Teilzeitstelle nach Zürich, doch das Einkommen reicht nicht aus, um die Familie über den Winter zu bringen.
«Wir hoffen auf die Gelder der Glückskette. Ohne Hilfe weiß ich nicht, wie wir bis zum Frühling durchkommen sollen», gesteht Silvana Rodriguez, während sie ihrer Tochter liebevoll über den Kopf streichelt. Trotz der angespannten Situation will die Familie nicht wegziehen. «Das ist unser Zuhause. Ich will nicht mit meinem Kind in einer Stadt leben», betont sie.
Das Bavonatal: Heimat für die Zugezogenen
Die Diskussion über die zukünftige Bewohnbarkeit des Bavonatals hat in der Schweiz erneut an Fahrt aufgenommen. Ist es wirtschaftlich sinnvoll, in solch risikobehafteten Gebieten zu leben? Lukas Dreyer sieht das anders. «Man darf das Tal nicht einfach aufgeben», sagt er entschieden. Für ihn und die anderen Bewohner ist das Bavonatal mehr als nur ein Lebensort – es ist ihre Heimat. In diesen schwierigen Zeiten ist es entscheidend, dass die Gemeinschaft zusammenhält.
Die Stadt und Staat haben bereits Hilfsmaßnahmen angekündigt, um betroffenen Familien unter die Arme zu greifen. In einer Welt, die immer mehr von Naturkatastrophen betroffen ist, könnte das Schicksal des Bavonatals ein Signal für andere hochalpine Regionen sein – eine Aufforderung, nicht nur nach Lösungen für die gegenwärtigen Probleme zu suchen, sondern auch Perspektiven für die Zukunft zu schaffen.