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Revolutionäre Erkenntnisse: Wie sich das Gehirn während der Schwangerschaft dramatisch ändert

2024-09-17

Jedes Jahr werden weltweit rund 140 Millionen Frauen schwanger und erleben dabei einen einschneidenden Lebenswandel. Doch was tatsächlich im Gehirn dieser Frauen während der Schwangerschaft vorgeht, bleibt weitgehend unentdeckt – bis jetzt. Ein neues Studium aus Kalifornien beleuchtet, dass das sogenannte "Schwangerschaftshirn" viel mehr ist als nur ein Mythos.

Forschende der University of California haben kürzlich zeigen können, dass die graue Substanz im Gehirn der werdenden Mütter schrumpft. In einer bahnbrechenden Studie, die diesen Monat im renommierten Fachjournal "Nature Neuroscience" veröffentlicht wurde, berichten die Wissenschaftler über ihre Erkenntnisse. Emily Jacobs, Neurowissenschaftlerin und Mitautorin der Studie, erklärt: "Mit dieser Veränderung geht vermutlich ein Funktionsgewinn einher."

Die Veränderungen im Gehirn treten bereits vor dem sichtbaren Wachstum des Bauches ein und können statistisch nachgewiesen werden. Der erste Messzeitpunkt fand dabei zwei Wochen vor der Empfängnis statt, gefolgt von 26 weiteren Hirnscans während der Schwangerschaft bis zwei Jahre nach der Geburt.

Obwohl die Änderungen in den Hirnbildern für das bloße Auge kaum erkennbar sind, belegen die Analysen, dass die 2 bis 5 Millimeter dicke Hirnrinde während der Schwangerschaft zunehmend dünner wird. Diese Hirnrinde spielt eine zentrale Rolle bei Sinneswahrnehmungen, willkürlichen Bewegungen, Planung und Denken.

Erstaunlich daran ist, dass nicht nur die gesamte Großhirnrinde schwindet, sondern die Tatsache, dass gleichzeitig die weiße Substanz – die Nervenverbindungen – dichter wird. Am dramatischsten sind die Änderungen jedoch in den ersten neun Wochen, einer Phase, in der viele Frauen sich ihrer Schwangerschaft noch nicht einmal bewusst sind.

Viele Schwangere berichten von einer fast überwältigenden Müdigkeit in diesen frühen Wochen, die jedoch oft als typisch für die Schwangerschaft angesehen wird. Elizabeth Chrastil, die Neurowissenschaftlerin, die im Rahmen der Studie ihr Gehirn untersuchen ließ, stellt fest: "Ich habe mich während dieser Schwangerschaft nicht anders gefühlt als in den vorherigen."

Darüber hinaus verändert sich auch der Wasserhaushalt im Gehirn der werdenden Mütter, da sich die Hohlräume in der Mitte des Gehirns mit mehr zerebrospinaler Flüssigkeit füllen, die entscheidend für die Ernährung und Reinigung des Gehirns ist. Dies geschieht jedoch hauptsächlich gegen Ende der Schwangerschaft und kann somit nicht die Gründe für das Schrumpfen der grauen Substanz erklären.

Die Wissenschaftler vermuten, dass das Gehirn auf jede hormonelle Umstellung reagiert. Während einer Schwangerschaft erleben Frauen bis zu 1000-fache Schwankungen in den Hormonspiegeln im Vergleich zu ihrem monatlichen Zyklus. Diese hormonellen Veränderungen stehen in direktem Zusammenhang mit dem Schrumpfen der grauen Substanz, was die Forscher nun präzise dokumentieren konnten.

Ein besonders interessanter Vergleich wurde zwischen den Hirnveränderungen während der Schwangerschaft und der Pubertät gezogen. "Für das Gehirn ist eine Schwangerschaft wie eine zweite Pubertät", sagt Chrastil. Auch in der Pubertät erleben Neuronen eine Veränderung und graue Substanz schwindet, jedoch ziehen sich diese Prozesse über Jahre hinweg, während die Schwangerschaftsveränderungen in einem viel schnelleren Tempo ablaufen.

Zwei Jahre nach der Geburt verlieren Frauen tatsächlich etwa 4 Prozent ihrer grauen Substanz, was jedoch nicht negativ zu werten ist. Stattdessen könnte dies als eine Art von "Feinabstimmung" des Nervennetzwerks für ein effizienteres Funktionieren im Alltag gesehen werden.

Forschungsergebnisse suggerieren, dass viele unwichtige Nervenverbindungen verschwinden, während die essenziellen Nervenverbindungen verstärkt werden, was die neuronalen Prozesse der werdenden Mütter optimieren könnte. Bezüglich der tiefergehenden Auswirkungen auf das Verhalten oder die kognitiven Fähigkeiten ist die Forschung jedoch noch in den Anfängen.

Bereits jetzt gibt es erste Ergebnisse von vier zusätzlichen Müttern, die ähnliche Veränderungen in ihren Gehirnen aufwiesen, was die Relevanz dieser Studie unterstreicht. Es bleibt abzuwarten, wie lange die kognitiven Veränderungen anhalten, doch viele Indizien deuten darauf hin, dass sie weit über die ersten zwei Jahre hinaus bestehen bleiben könnten. Jüngste Studien aus England legen zudem nahe, dass die Hirnscans bei 60-jährigen Frauen Rückschlüsse darauf erlauben, ob sie jemals Kinder hatten und wie viele.

Diese einzigartigen Einsichten in die Mechanismen des menschlichen Gehirns während der Schwangerschaft eröffnen neue Perspektiven und könnten forschungsseitig eine völlig neue Ära einleiten.