
Podcast Luftraum: „Wir sollten heute etwa 90 Boeing 777X besitzen.“
2025-04-04
Autor: Simon
Im Gespräch über große Flugzeuge, Lieferverzögerungen bei Boeing und zukunftsweisende Pläne äußert sich Emirates-Präsident Tim Clark.
In dem historischen Berghaus Adlon, nur einen Steinwurf vom Brandenburger Tor entfernt, gab Tim Clark, der Präsident von Emirates und eine Ikone der Luftfahrtindustrie, Einblicke in die Herausforderungen, vor denen die Airline steht. Seit 1985 ist Clark als prägende Figur bei Emirates aktiv, seit 2003 leitet er das Unternehmen. Emirates bedient mittlerweile über 130 Ziele auf sechs Kontinenten mit ihrer reinen Langstreckenflotte, jedoch kämpft auch der Branchenriese mit ernsthaften Problemen.
In einem Gespräch mit rund 20 Journalisten zeigte sich Clark pessimistisch hinsichtlich der Auslieferung des neuen Modells Boeing 777-9. „Sie haben sich verpflichtet, am 25. Oktober zu liefern, doch momentan sehe ich wenig Hoffnung“, erklärte Clark nüchtern. Die Zertifizierung verzögert sich, und der Rückstand ist enorm. Emirates hat insgesamt 210 Maschinen bestellt, und die meisten davon sollten bis 2027/28 bereits im Einsatz sein. „Wir sollten heute etwa 90 von diesen Fliegern haben“, so Clark weiter.
Diese Situation zwingt die Airline, ihre älteren Jets länger im Betrieb zu halten und teure Nachrüstungen vorzunehmen. Für satte fünf Milliarden Dollar werden 220 Flugzeuge umgebaut, mit neuen Kabinen, First-Class-Upgrades und einer Premium Economy. Clark ist überzeugt: „Wir hatten keine andere Wahl. Es war der einzige Weg, unser Netzwerk aufrechtzuerhalten.“
Ein Hoffnungsträger ist der Airbus A350, von dem Emirates 65 Einheiten bestellt hat. Clark schwärmt: „Es ist ein Traum im Betrieb, und die Passagiere lieben ihn.“ Dennoch übt er auch Kritik: Der A350-900 sei „eigentlich zu klein“. Trotzdem glaubt Clark fest daran, dass die Entscheidung für die Bestellung die richtige war.
Tim Clarks Leidenschaft gehört jedoch dem Airbus A380. Emirates ist weltweit der größte Betreiber dieses Flugzeugtyps und würde am liebsten noch mehr davon einsetzen. „Wenn wir noch 50 A380-Flugzeuge hätten, wären sie immer voll“, betont Clark. Eine Neuauflage des A380 ist zwar unwahrscheinlich, aber die Nachfrage ist deutlich: „Unsere A380 haben einen Sitzladefaktor von 85 Prozent, was bedeutet, dass etwa 500 Personen an Bord sind.“ Für Clark ist klar: „Das ist das gefragteste und beliebteste Flugzeug, das heute fliegt.“
Die Dominanz von Boeing und Airbus könnte ins Wanken geraten. Das chinesische Unternehmen Comac arbeitet ambitioniert an neuen Flugzeugmodellen. Clark sieht Potenzial für einen dritten großen Akteur: „Es gibt natürlich Platz dafür. Die Chinesen sind auf einer Mission.“ Momentan verwenden sie noch westliche Triebwerke und Avionik, aber „mit der Zeit werden sie ihr eigenes System entwickeln“.
Emirates kämpft seit Jahren um eine direkte Verbindung von Dubai nach Berlin, bisher jedoch ohne Erfolg. Die Zusammenarbeit mit Condor, die den A320 zwischen den beiden Städten fliegen, ist für Clark lediglich ein Kompromiss. „Das, was Sie sehen, ist nicht das, was Emirates normalerweise bietet“, sagt er.
Zur wachsenden Steuerlast im Luftverkehr nimmt Clark klar Stellung: „Regierungen betrachten den Luftfahrtsektor seit Langem als Cashcow.“ Er warnt, dass übermäßige Steuern der Luftfahrtbranche schaden und die wirtschaftliche Zukunft gefährden können. „Die Branche braucht Unterstützung.“
Ein kleiner Seitenhieb blieb nicht aus: „Ich habe das Allegra-Produkt noch nicht gesehen. Ist es überhaupt im Einsatz?“ Was Emirates im Premiumsegment plant, bleibt geheim, doch Clark verspricht: „Wir werden erhebliche Verbesserungen vornehmen.“
Der Flughafen Dubai steht vor großen Herausforderungen: Der neue Mega-Airport, Dubai World Central, soll zwischen 2032 und 2034 eröffnet werden. Bis dahin muss die bestehende Infrastruktur dringend aufgerüstet werden, mit Investitionen in Milliardenhöhe, um die Kapazitäten auf 120 Millionen Passagiere pro Jahr zu erweitern. Clark offensichtlich optimistisch: „Wenn wir den Platz und die Flotte hätten, könnten wir problemlos 350 Flugzeuge betreiben.“
Hören Sie jetzt die aktuelle Episode unseres Podcasts mit Tim Clark, in der er auch die wachsende Konkurrenz durch Eurowings auf den Strecken nach Dubai bewertet. Abonnieren Sie den Podcast Luftraum von aeroTELEGRAPH mit Christopher Scheffelmeier, um keine Folge mehr zu verpassen.