Hirnentzündung: „Bei bakterieller Meningitis verschlechtert sich die Prognose pro Stunde um 30 %“
2024-11-15
Autor: Nina
Ein neu entwickelter genetischer Test ermöglicht es, Hirnflüssigkeit auf nahezu alle bekannten Erreger zu untersuchen, einschließlich Viren, Bakterien, Pilzen und Parasiten. Dies könnte die Diagnose und Behandlung von Gehirninfektionen revolutionieren, so ein US-Forschungsteam, das die Resultate in der Fachzeitschrift „Nature Medicine“ veröffentlicht hat.
Infektionen des Zentralen Nervensystems (ZNS) wie Meningitis und Enzephalitis sind potenziell lebensbedrohlich. Schnelligkeit bei der Diagnose und Therapie ist entscheidend, um schwerwiegende Folgen zu vermeiden. Aktuell werden oft mehrere Testverfahren kombiniert, doch bei rund 50 % der Meningoenzephalitis-Fälle bleibt die Ursache unklar.
Der Neurologe Helge Roland Topka, Chefarzt an der München Klinik Bogenhausen, nennt die Neuheit eine „faszinierende Technik“. Das automatisierte Verfahren, bekannt als metagenomisches Next-Generation-Sequencing (mNGS), isoliert und sequenziert Erbgutmaterial aus der Hirnflüssigkeit und vergleicht es mit Datenbanken, um den verantwortlichen Erreger zu identifizieren.
In der Studie wurden Proben von 2016 bis 2023 untersucht. Bei 14,4 % der 4828 Proben wurde eine Infektion festgestellt, wobei in 45,5 % DNA-Viren, in 26 % RNA-Viren und in 17 % Bakterien nachgewiesen wurden.
Das neue Verfahren wies bei Proben der Universitätsklinik San Francisco eine Spezifität von 99,6 % auf, allerdings lag die Sensitivität nur bei etwa 63 %. Das mNGS zeigte bessere Ergebnisse als konventionelle Antikörper-Tests, die nur eine Sensitivität von 29 % erreichen.
Dennoch reicht die Sensitivität von 63,1 % nicht aus, um traditionelle Tests zu ersetzen. Eine Hauptschwäche ist die lange Analysedauer von derzeit über 3,5 Tagen, was in Notfällen kritisch sein kann, besonders bei bakterieller Meningitis, wo die Prognose pro Stunde um 30 % sinkt.
Um die Krankheitserreger schneller zu identifizieren, wird bereits ein Multiplex-PCR-Schnelltest eingesetzt, der zur Analyse der Hirnflüssigkeit etwa eine Stunde benötigt, jedoch nur für eine begrenzte Anzahl häufiger Erreger nutzbar ist.
Chius Verfahren kann jedoch auch seltene und unerwartete Erreger entdecken, was besonders in rätselhaften Fällen wichtig ist. Die Methode könnte auch entscheidend sein für die Identifizierung von Erregern, die sich nicht im Labor kultivieren lassen, wie das Borreliose-Bakterium Borrelia burgdorferi oder der Auslöser der Katzenkratzkrankheit.
Eine bemerkenswerte Anwendung des Verfahrens fiel nach einem Ausbruch einer pilzbedingten Meningitis in Mexiko im Jahr 2023 auf, als der Erreger Fusarium solani bei einem amerikanischen Patienten festgestellt wurde und dadurch die Gesundheitsbehörden auf das Problem aufmerksam gemacht wurden.
Topka weist darauf hin, dass Infektionen mit seltenen Erregern in Deutschland zunehmen könnten, bedingt durch das verstärkte Reisen und den globalen Handel. Die neue Methode könnte also in Zukunft bei der Diagnostik von unklaren Hirninfektionen von großer Bedeutung sein. „Wäre das Verfahren schneller, könnten wir viele Infektionsprobleme lösen“, so Topka.
Die Kosten des Tests belaufen sich auf etwa 3000 Dollar (knapp 2800 Euro), was ihn zunächst nur für wohlhabende Länder zugänglich macht, doch könnten die Preise in Zukunft sinken. In einem weiteren Artikel in „Nature Communications“ wird ein ähnliches mNGS-Verfahren vorgestellt, das die viralen Ursachen von Atemwegsinfektionen binnen eines Tages ermitteln kann und eine Zuverlässigkeit von fast 94 % zeigt.