Hirnentzündung: „Bei bakterieller Meningitis verschlechtert sich die Prognose pro Stunde um 30 %“
2024-11-15
Autor: Lukas
Einführung
Ein neu entwickelter genetischer Test verspricht, Hirnflüssigkeit auf nahezu alle bekannten Erreger zu untersuchen, einschließlich Viren, Bakterien, Pilze und Parasiten. Dieser bahnbrechende Ansatz könnte die Diagnosestellung bei Gehirninfektionen erheblich verbessern, betont ein US-Forschungsteam in einer umfassenden Studie, die Proben über einen Zeitraum von sieben Jahren analysierte.
Die Bedeutung einer schnellen Diagnose
Infektionen des Zentralen Nervensystems wie Meningitis, Enzephalitis und Myelitis können lebensbedrohlich sein. Eine schnelle Diagnose sowie eine umgehende Therapie sind für den Behandlungserfolg entscheidend. Laut der Studie lassen sich jedoch bei ca. 50 % der Fälle von Meningoenzephalitis die Ursachen nicht erfolgreich klären.
Neurologische Notfallmedizin und der neue Ansatz
Der Neurologe Helge Roland Topka, Chefarzt an der München Klinik Bogenhausen, begrüßt den neuen Ansatz als „extrem wichtig“ für die neurologische Notfallmedizin. Das metagenomische Next-Generation-Sequencing (mNGS) ermöglicht es, in der Hirnflüssigkeit zirkulierendes Erbgut zu isolieren und zu sequenzieren, wodurch die verantwortlichen Erreger identifiziert werden können.
Studienergebnisse
In der citerierten Studie wurden insgesamt 4828 Proben analysiert, von denen 697 (14,4 Prozent) als infiziert diagnostiziert wurden. Besonders auffällig war, dass in fast der Hälfte dieser Fälle DNA-Viren nachgewiesen wurden. Die Ergebnisse zeigten zudem, dass das neue Verfahren in 22 Prozent der Proben als alleinige Methode den verantwortlichen Erreger identifizierte.
Sensitivität und Spezifität des Verfahrens
Obwohl die Spezifität des mNGS-Verfahrens bei 99,6 Prozent liegt, musste das Team feststellen, dass die Sensitivität nur bei etwa 63 Prozent lag. Dies bedeutet, dass in weniger als zwei Dritteln der Fälle mit einer nachgewiesenen Gehirninfektion ein Erreger identifiziert wurde. Dennoch ist diese Sensitivität deutlich besser als bei traditionellen Antikörper-Tests, deren Sensitivität bei lediglich 29 Prozent liegt.
Herausforderungen bei der Geschwindigkeit des Tests
Die Geschwindigkeit des Tests bleibt jedoch eine Herausforderung. Topka hebt hervor: „Bei einer bakteriellen Meningitis verschlechtert sich die Prognose pro Stunde um 30 Prozent. Wir haben oft nur einen extrem kurzen Zeitraum, um zu reagieren.“ Während gegenwärtig ein Multiplex-PCR-Schnelltest verwendet wird, der innerhalb einer Stunde Ergebnisse bei einer begrenzten Anzahl von häufigen Erregern liefert, ermöglicht es das mNGS-Verfahren, auch seltene und unerwartete Pathogene zu identifizieren, die unter Umständen nicht ins Labor kultiviert werden können.
Beispiel für die Relevanz der Forschung
Ein alarmierendes Beispiel für die Relevanz der Forschung fand 2023 in Mexiko statt, als das neue Verfahren bei einem Ausbruch von pilzbedingter Meningitis den Erreger Fusarium solani entdeckte und somit die US-Gesundheitsbehörden auf das Problem aufmerksam machte.
Zukunftsaussichten und Kosten
Mit zunehmenden globalen Reisebewegungen und steigender Interaktion zwischen Ländern ist davon auszugehen, dass auch die Zahl der Infektionen mit seltenen Erregern in Deutschland steigen wird. Topka erklärt, dass der neue Ansatz für die Diagnose solcher mysteriöser Hirninfektionen von großem Nutzen sein könnte. Wenn es dem Verfahren gelingt, schneller Ergebnisse zu liefern, könnte es eine entscheidende Antwort auf viele infektiologische Herausforderungen bieten.
Finanzielle Aspekte und alternative Verfahren
Die Kosten für den mNGS-Test belaufen sich auf rund 3000 Dollar (ungefähr 2800 Euro), was ihn zunächst vornehmlich wohlhabenden Ländern zugänglich macht. Zukünftige Preisreduktionen könnten jedoch dazu führen, dass das Verfahren auch in ärmeren Regionen Anwendung findet.
Ähnliche Fortschritte in der Diagnostik
In einem weiteren Schritt stellte Chiu ein ähnliches mNGS-Verfahren zur Untersuchung von Atemwegsinfektionen vor, das die viralen Ursachen innerhalb eines Tages nachweisen kann, mit einer Zuverlässigkeit von fast 94 Prozent im Vergleich zu etablierten PCR-Standards.
Fazit
Dieser innovative Fortschritt in der medizinischen Diagnostik könnte letztlich Leben retten und die Behandlungsergebnisse bei tragischen Gehirninfektionen erheblich verbessern.