Claude Longchamp: Das gewaltige Misstrauen gegenüber dem Bundesrat
2024-12-31
Autor: Emma
Claude Longchamp
Bern, 31.12.2024 - 13:31
In einem alarmierenden Wandel haben erstmals mehr Menschen in der Schweiz dem Bundesrat misstraut, als ihm Vertrauen schenken. Diese Entwicklung ist zentral im dritten Teil des Politik-Jahresrückblicks 2024.
Politologe Claude Longchamp analysiert die politischen Ereignisse des Jahres 2024 und hebt dabei die steigenden Bedenken der Bevölkerung hervor.
Einer der markantesten außenpolitischen Höhepunkte war die erste Friedenskonferenz zum Ukraine-Krieg, die in der Schweiz stattfand. Trotz breiter internationaler Anerkennung blieben handfeste Ergebnisse jedoch aus, da Russland nicht eingeladen wurde. Eine zweite Konferenz wird angestrebt, bei der Russland einbezogen werden soll, um echte Fortschritte zu erzielen.
In einem weiteren bemerkenswerten politischen Wendepunkt wurde der ehemalige Bundesrat Alain Berset zum neuen Generalsekretär des Europarats gewählt. Berset setzt auf Frieden und Demokratie, wurde jedoch mit innerpolitischem Widerstand konfrontiert, da die Ukraine sich gegen seine Wahl aussprach.
Auffällig war auch das Urteil des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der die Schweiz für ihre unzureichende Klimapolitik verurteilte. Eine Gruppe von Klima-Seniorinnen hatte die Klage eingereicht, was eine hitzige Debatte über die rechtlichen Rahmenbedingungen der Klimapolitik auslöste.
In den Sorgen der Bürger zeigt sich der größte Graben zwischen Reich und Arm. Vor allem Familien mit mehreren Kindern haben Angst vor steigenden Kosten für Krankenkassenprämien, Mieten und Lebenshaltungskosten, was zu einem wachsenden Gefühl der Unsicherheit in der Gesellschaft führt.
Die politischen Meinungsmacher stellen fest, dass die Kluft zwischen Einheimischen und Ausländern ebenfalls verstärkt wahrgenommen wird, während andere Unterschiede – etwa in Bezug auf Geschlecht oder Wohnort – weniger Beachtung finden. Das Thema Gesundheitsversorgung und die hohen Krankenkassenprämien stehen weiterhin ganz oben auf der Liste der politischen Sorgen der Stimmberechtigten.
Der neue Vorsteher des UVEK, Albert Rösti (SVP), hat mehrere Initiative gestartet, darunter ein Wolfsabschuss-Programm und eine erneute Diskussion über die Kernenergie. Trotz einiger Erfolge in Volksabstimmungen ist sein Einfluss im Bundesrat beeindruckend gewachsen, was ein Indiz für die verstärkte Politisierung von Umweltthemen sein könnte.
Die zunehmende Skepsis gegenüber den Institutionen wurde durch diverse Abstimmungsniederlagen und die Berichterstattung kritischer Medien hervorgerufen. Laut VOX-Analysen ist das Misstrauen gegenüber den Behörden auf 47 Prozent gestiegen und übersteigt damit erstmals das Vertrauen von 42 Prozent.
Dieser Wert ist besorgniserregend, da noch Anfang 2022 71 Prozent der Bürger dem Bundesrat Vertrauen schenkten. Experten vermuten, dass die negativen Erfahrungen während der Pandemie und die Entscheidungsmuster in der Gesundheitskrise maßgeblich zu diesem Stimmungsumschwung beigetragen haben.
Im Rahmen des parlamentarischen Untersuchungsberichts zum Zusammenbruch der Credit Suisse wurden erhebliche Missstände dokumentiert, die eine breitere Erörterung der Finanzmarktregulierung erforderten. Die PUK forderte keine Rücktritte, stellte jedoch klar, dass die Gesetzgebung im Bereich der systemrelevanten Banken überarbeitet werden muss.
Abschließend zeigt sich, dass auch die weltpolitischen Entwicklungen im Superwahljahr 2024 an Einfluss auf die Schweizer Innenpolitik gewinnen, da der Druck auf die Regierungen durch wachsenden Unmut in der Bevölkerung steigt. Die Verknüpfungen zwischen reichen und einflussreichen Individuen und den Regierungen sind ein gefährliches Thema, das weiterhin einen Schatten auf die politische Verantwortung wirft.