Abstimmung zum Autobahnausbau: So dramatisch ist der Stau in Bern wirklich
2024-11-14
Autor: Gabriel
«Es ist unverhältnismäßig!»
Auf der A1 bei Bern wird deutlich, warum eine achtspurige Autobahn diskutiert wird.
Steht die Schweiz kurz vor der ersten achtspurigen Autobahn?
Darüber wird bald abgestimmt. Ein Selbstversuch von watson zeigt, wie katastrophal die Stausituation dort ist, wo die neuen Spuren entstehen sollen.
Verkehrssituation auf der Autobahn A1
Kurz vor Bern stockt der Verkehr auf der Autobahn A1. Während 60 km/h erlaubt sind, rollen die Fahrzeuge nur mit 15 km/h weiter – eine frustrierende Erfahrung für viele Pendler.
Immerhin gibt es Fortschritt. Langsam, aber sicher kommen die Fahrzeuge voran.
Ausbauprojekte und Abstimmung
Zwei der insgesamt sechs geplanten Ausbauprojekte, über die das Volk am 24. November entscheiden wird, konzentrieren sich genau auf diesem Autobahnabschnitt. Zwischen Schönbühl und Kirchberg soll eine Spur in beiden Richtungen hinzugefügt werden, sodass die Autobahn von vier auf sechs Spuren erweitert wird.
Bereits sechsspurig ist der Bereich zwischen Wankdorf und Schönbühl. Auch hier soll jeweils eine zusätzliche Spur dazukommen, was den ersten achtspurigen Abschnitt der Schweiz schaffen würde.
Argumente der Befürworter und Betroffenen
Die Befürworter des Ausbaus argumentieren, dass die Verkehrssituation auf der A1 «untragbar» sei. Doch ist das wirklich der Fall? Was denken die betroffenen Autofahrer und Anwohner?
Besser Stau als öffentliche Verkehrsmittel
Genau dort, wo die Autos im Schritttempo fahren, befindet sich die Tankstelle Ittigen. Eine Frau eilt mit einem Snack in der Hand aus dem Shop. Sie ist frustriert: „Heute habe ich um 6:30 Uhr in Basel gestartet, um meine Eltern zu besuchen. Die Fahrt nach Vevey, die normalerweise zwei Stunden dauert, wird heute drei Stunden in Anspruch nehmen – genauso lange wie mit dem Zug“, erklärt sie.
Ihr Zögern, den Zug zu nehmen, erklärt sie einfach: „Ich hätte auf der Zugfahrt wenigstens arbeiten können. Aber manchmal ist es praktischer, das Auto zu nutzen.“
Der Unverzichtbare: das Auto
Dies ist die erste von vier häufig gehörten Antworten von Pendlern an diesem Morgen, wenn man fragt, warum sie nicht den öffentlichen Verkehr nutzen. Der zweite Grund: Mit dem Auto ist man selbst im Stau schneller als im öffentlichen Verkehr.
Ein anderer Mann an der Raststätte sagt, dass sein Arbeitsweg ohne Stau 15 Minuten dauert, aber mit Stau das Doppelte. Mit dem Zug und dem Bus würde es eine Stunde in Anspruch nehmen. „Daher bleibe ich beim Auto und stimme für den Autobahnausbau“, fügt er hinzu.
Ein Autopendler, der am Steuer sitzt und auf das Ende des Staus wartet, sagt, dass er auf das Auto angewiesen ist, da er von Kunde zu Kunde fahren muss. Die Vorstellung, sich auf öffentliche Verkehrsmittel zu verlassen, erscheint ihm unpraktisch.
Ein weiterer Autofahrer weicht in der Diskussion vom Autobahnausbau ab und äußert Bedenken über die Zuwanderung, die er als Hauptursache für die Verkehrszunahme sieht. "Der Verkehr wird sich proportional zur Bevölkerung erhöhen", erklärt er, und verleiht seiner Besorgnis Ausdruck.
Zuwanderung und Verkehrswachstum
Tatsächlich hat die Bevölkerungszahl in der Schweiz stark zugenommen. 1964, als die A1 eröffnet wurde, lebten hier 5,8 Millionen Menschen. Heute ist die Zahl auf fast 10 Millionen gestiegen.
Auch die Zahl der Fahrzeuge hat enorm zugenommen. Laut BFS gab es 2023 in der Schweiz 6,8 Millionen Fahrzeuge, wobei PKWs den größten Teil ausmachten.
Hat sich an der Verkehrspolitik oder unserem Mobilitätsverhalten nichts geändert, wird der Autopendler wahrscheinlich recht behalten. Ein Anstieg des Verkehrs steht bevor. Das Bundesamt für Raumentwicklung prognostiziert für 2050 ein weiteres Wachstum.
Optimistische Bedingungen
Es gibt jedoch Möglichkeiten, dass der Verkehr langsamer wächst als die Bevölkerung. Das ARE stellt fest, dass durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die Bildung von Fahrgemeinschaften der Anstieg der Verkehrsnutzung eingedämmt werden könnte.
In der Realität scheinen wir jedoch in die entgegengesetzte Richtung zu steuern. Statistiken zeigen, dass über 90 Prozent der Pendler alleine in ihren Autos fahren, was bedeutet, dass mehr Autos und ein größerer Platzbedarf auf den Straßen zu Staus führen.
Die Größe unserer Fahrzeuge hat mit der Zeit ebenfalls zugenommen. Ein VW Golf von 1974 benötigte weniger Platz als das neueste Modell von 2019. Dies hat Auswirkungen auf den Verkehrsfluss, besonders in Stoßzeiten.
Zusammenfassung der Situation
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es nicht nur mehr Autos gibt, sondern auch der Platzbedarf jedes einzelnen Fahrzeugs ist gestiegen, was die Situation in den Staus verstärkt.
Gefahren durch schwerere Autos
Schwerere Fahrzeuge erhöhen die Unfallgefahr und tragen zur Staubildung bei. An einem Montagmorgen, an dem glücklicherweise kein Unfall passiert ist, erweist sich die Wahrscheinlichkeit von Staus als hoch.
Ein Anwohner aus Kirchberg schildert, dass Staus bis ins Dorf hinein reichen können, was die Lebensqualität der Bewohner erheblich beeinträchtigt. Diese Problematik wird oft ignoriert, wobei viele von den Versprechungen der Behörden gegenüber dem Ausbau der Autobahn skeptisch sind.
Fazit
Daher bleibt für viele Pendler die Frage offen, ob die Stimmen für den Autobahnausbau wirklich eine Lösung für das überlastete Verkehrsnetz darstellen oder ob langfristige Alternativen in Form eines besseren öffentlichen Verkehrs und mehr Fahrgemeinschaften entwickelt werden müssen.