
Weberei Russikon schließt: Ein endgültiges Ende für die Schweizer Textilindustrie?
2025-03-31
Autor: Louis
Die Weberei Russikon, einst ein bedeutender Teil der Schweizer Textillandschaft, hat geschlossen. Ein letztes Mal rattern die Maschinen, während die 55 Mitarbeitenden alles geben, um höchste Qualität zu liefern. Zuletzt fokussierte sich die Produktion auf Damast, einen edlen, dicken Stoff, der für hochgestellte Persönlichkeiten in Westafrika verwendet werden sollte.
Die Schließung der Weberei steht symbolisch für die Herausforderungen, mit denen die Schweizer Textilindustrie konfrontiert ist. Die Inflation in Westafrika und die steigenden Produktionskosten in einem starken Franken haben dazu geführt, dass das Unternehmen von seiner langjährigen deutschen Eigentümerin Getzner keine praktikable Lösung mehr finden konnte und schließlich schloss.
In der Belegschaft herrscht gedrückte Stimmung. Viele Mitarbeitende, die über Jahre im Unternehmen tätig waren, stehen nun vor ungewissen Zukunftsperspektiven – der großzügige Sozialplan reicht oft nicht aus, um die Versorgungsengpässe im Altersversorgungssystem zu decken. Russikon muss sich nun von seinem letzten verbliebenen Textilbetrieb dieser Art verabschieden.
Einer der letzten Zeugen der langen Geschichte der Weberei ist Kurt Gubler, der von 1987 bis 2008 als Gemeindeschreiber tätig war. Er erinnert sich, dass die Weberei einst ein florierendes Unternehmen war, das sich konstant veränderte und an die Marktbedingungen anpasste. Allerdings ging es stetig bergab – die Mitarbeiterzahl halbierte sich von 100 auf 50 in nur wenigen Jahren. Die Gemeinde war auf den erfolgreichen Betrieb angewiesen, doch der wirtschaftliche Beitrag der Weberei wurde zunehmend geringer.
Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann weist darauf hin, dass die Schweizer Webereien mit der Massenproduktion in der globalen Wirtschaft schon lange nicht mehr konkurrieren konnten. Die Umstellung auf Nischenprodukte dauerte an, doch die Geschäfte mit den Stoffen für den afrikanischen Markt blieben unbeständig. Politische und wirtschaftliche Instabilitäten trugen dazu bei, dass das Geschäftsmodell nicht tragfähig war.
Die traditionell starke Schweizer Textilindustrie hatte im 19. Jahrhundert eine große Bedeutung. Im Jahr 1882 waren mehr als die Hälfte der Fabrikangestellten in der Textilbranche beschäftigt. Doch durch den Wettbewerb und die Globalisierung verlor der Sektor an Einfluss, und die Produktion verlagerte sich zunehmend ins Ausland.
Heute sind nur noch etwa 16.700 Menschen in der Schweizer Textilindustrie tätig, die meisten Unternehmen haben sich auf spezielle Nischen konzentriert. Peter Flückiger, Geschäftsführer des Branchenverbands Swiss Textiles, sieht das weiterhin bestehende Potenzial in Technologien für innovative Produkte, insbesondere in der Medizinaltechnik und beim Recycling.
Der drastische Rückgang traditioneller Textilberufe verdeutlicht nicht nur einen Wandel in der Industrie, sondern zeigt auch die Notwendigkeit auf, neue Fähigkeiten zu entwickeln. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Weberei Russikon äußert seine Skepsis gegenüber einem Berufswechsel in seinem Alter. Viele dieser Arbeiter sind nicht bereit, sich der ökonomischen Realität anzupassen, was einen tiefen Einschnitt in der Gesellschaft Russikons darstellt.
Abschließend bleibt zu sagen, dass die Produktion von Damast - wie der Stoff für die afrikanischen Gewänder - künftig in Nachbarländern wie Österreich und Deutschland gefertigt wird. Die Schließung der Weberei Russikon ist somit nicht nur ein Verlust für die Gemeinde, sondern markiert auch einen Wendepunkt in der Geschichte der Schweizer Textilindustrie.