Nation

Warum sich die Landbevölkerung von den Städten vernachlässigt fühlt

2024-11-12

Autor: Gabriel

Die US-Wahlen haben klar gemacht, dass die Gesellschaft tief gespalten ist: zwischen Stadt und Land, zwischen progressiven Urbanen und traditionelleren ländlichen Wählern. Ein markantes Beispiel war die Wahl von Kamala Harris, die in Städten wie San Francisco fast 80 Prozent der Stimmen erhielt, während Donald Trump in ländlichen Regionen massiv überlegen war.

Ein ähnliches Phänomen lässt sich auch in der Schweiz beobachten, wo große Städte wie Zürich, Basel, Genf und Lausanne tendenziell linksgerichteter wählen als ländliche Gebiete. Joachim Blatter, ein Politologe an der Universität Luzern, bestätigt, dass diese urban-ruralen Unterschiede in allen Demokratien zu beobachten sind.

Die Ursachen der Spaltung sind vielschichtig. Laut Blatter gibt es signifikante Unterschiede in den Werten, gefördert durch Themen wie Umwelt- und Tierschutz, Migration und die Rechte von Minderheiten. Zudem verstärken soziale Medien und der politische Prozess diese Unterschiede. Oft fühlen sich Landbewohner von den politischen Eliten abgehängt, was dazu führen kann, dass sie Kandidaten wie Donald Trump oder ähnliche Politiker in der Schweiz unterstützen.

Blatter führt drei Hauptgründe für die Kluft an: Erstens die Ökonomie, da der Strukturwandel hin zur Dienstleistungsgesellschaft städtische Gebiete begünstigt. Zweitens kulturelle Werte, da Städte oft postmoderne Ideale fördern. Drittens die politische Elite selbst, die hauptsächlich aus städtischen Bevölkerungsschichten besteht.

In der Schweiz jedoch hat die Landbevölkerung, insbesondere die Bauern, oft mehr politisches Gewicht als die städtische Bevölkerung, vor allem bei Abstimmungen.

Ein interessanter neuer Ansatz von Blatter beschreibt das Gefühl der Landbevölkerung, dass ihr praktisches Wissen oft als weniger wertvoll im Vergleich zu akademischen Titeln angesehen wird. Dies führe zu dem Eindruck, dass Wissen aus der Wissenschaft, wie während der Corona-Pandemie, von städtischen Eliten aufgezwungen wird, ohne die Realität auf dem Land ausreichend zu berücksichtigen.

Michael Hermann, Politologe und Leiter des Forschungsinstituts «Sotomo», äußert sich skeptisch über die Möglichkeit, den Stadt-Land-Graben zu überwinden. Er stellt fest, dass Menschen, die in Städte ziehen, oft auf der Suche nach einem internationalen Umfeld und akademischer Ausbildung sind, was die Unterschiede zwischen urbanen und ländlichen Werten weiterhin verstärken wird. Kritikpunkt ist, dass dieser Graben nicht unbedingt überwunden werden muss, denn im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Konflikten, wie religiösen, erscheinen die Unterschiede zwischen Stadt und Land weniger bedrohlich.

In der Schweiz fungieren die Agglomerationen zudem als Puffer zwischen städtischen und ländlichen Gebieten, was eine vermittelnde Wirkung hat. Während die politischen Landschaften in den USA oft stark polarisiert sind, bleibt die Schweizer Politlandschaft vergleichsweise stabil.