Unterhaltung

Udo Jürgens: Ein tiefgründiges Interview kurz vor seinem Tod

2024-12-23

Autor: Louis

Udo Jürgens, einer der ikonischsten deutschsprachigen Entertainer, hinterließ mit über 1000 geschriebenen Songs ein unverwechselbares Erbe in der Musikgeschichte. Sein plötzlicher Tod im Jahr 2014 nach einem erfüllten Leben hinterließ eine große Lücke in der deutschen Kultur. Drei Monate vor seinem Ableben gewährte er SRF ein aufschlussreiches Interview, das Einblicke in seine Gedankenwelt und sein Lebensgefühl gab.

SRF: Wie fühlt man sich, wenn man 80 Jahre alt wird?

Udo Jürgens: Ich fühle mich gut, ansonsten könnte ich nicht hier sitzen. Es ist eine aufregende Zeit rund um meinen Geburtstag, mit viel Anerkennung von Fans und Freunden. Diese positive Resonanz ist eine große Freude, bringt aber auch den Druck mit sich, weiterhin kreativ zu sein. Ab und an kann ich das Gefühl haben, dass es mir zu viel wird.

Gibt es einen Unterschied zwischen 70 und 80 Jahren?

Mit 70 war ich vielleicht besorgter. In den letzten zehn Jahren hatte ich Zeit, Vertrauen in mein Altern zu finden. Erstaunlicherweise bin ich mental noch so klar und meine Stimme ist in bester Verfassung – sogar besser als vor 20 Jahren. Das gibt mir Lebensqualität.

Wie empfinden Sie das Wort „noch“?

Das schmerzhafte „noch“ ist oft verbunden mit dem: „Er sieht noch gut aus – für sein Alter.“ Da schwingt sofort diese schleichende Enttäuschung mit. Es ist ein Wort voller Ambivalenz.

Wie gehen Sie mit dem Tod um? Ist es Ihnen gleichgültig oder gibt es Ängste?

Es ist eine Herausforderung, die ich, wie viele andere auch, versuche zu bewältigen. In unserer Kultur wird das Altsein oft negativ betrachtet. Man muss fit und jung erscheinen und nicht stören. Diese gesellschaftlichen Erwartungen machen es uns kaum möglich, offen über das Altern und den Tod zu sprechen.

Ihre Tour und Ihre CD tragen den Titel „Mitten im Leben“. Fühlen Sie sich so?

Ja, ich lebe wirklich mitten im Leben. Ich kann weiterhin mit der gleichen Leidenschaft singen und auftreten. Wenn ich meinen Bruder in Kärnten besuche, stelle ich fest, dass er mit seinem einfacheren Leben, in dem er die Arbeit des Tages reflektiert, eine innere Zufriedenheit hat. Im Vergleich dazu ist mein Leben voller hektischer Kreativität.

Wünschen Sie sich, auch irgendwann diese innere Ruhe zu finden?

Es ist faszinierend, dass ich das Streben nach Ruhe einerseits und die innere Unruhe, die meine kreative Karriere antreibt, möchte. Diese beiden Zustände scheinen unvereinbar. Doch genau in dieser Spannung finde ich die Energie, die ich brauche. Auch wenn ich dadurch nie den ausgeglichenen Frieden eines Landwirtes oder Fischers erreichen kann, posauniere ich meine Gedanken in die Welt – und das macht mich einzigartig.

Jürgens’ Lebensgeschichte ist nicht nur die eines Künstlers, sondern auch die eines Mannes, der sich mit den tiefsten Fragen des Lebens auseinandersetzt. Sein bemerkenswerter musikalischer Einfluss und seine Fähigkeit, ein Publikum zu begeistern, werden ihn unvergesslich machen. Sein Erbe lebt in den Herzen aller weiter, die seine Musik lieben.