Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz: „Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
2024-11-04
Autor: Gabriel
In den letzten Jahren hat die Diskussion über den Stadt-Land-Gegensatz in Deutschland an Intensität gewonnen. In einem Gespräch mit dem Soziologen Andreas Klärner wird deutlich, dass die verbreiteten Annahmen über eine Abgehängtenheit der ländlichen Bevölkerung nicht haltbar sind.
Laut Klärner sind 98 Prozent der deutschen Bevölkerung in der Lage, einen Supermarkt innerhalb von zehn Minuten mit dem Auto zu erreichen. Dies widerlegt die Vorstellung von unzugänglichen ländlichen Gebieten. Auch in Bezug auf die medizinische Versorgung und die Erreichbarkeit von Schulen wird ein positives Bild gezeichnet. Klärner betont, dass über 50 Prozent der Bevölkerung in Deutschland ländlich leben und deren Lebensqualität oft höher ist, als es der öffentliche Diskurs vermuten lässt.
Ein weiterer interessanter Punkt, den Klärner anspricht, ist die politische Einstellung in ländlichen Regionen. Während in Ostdeutschland die AfD stärkere Wahlergebnisse in kleineren Städten aufweist, zeigen die Dörfer geringere Zustimmung. Dies stellt die vereinfachte Annahme in Frage, dass je ländlicher die Region, desto stärker die Unterstützung für populistische Parteien.
In Bezug auf die gefühlte Abgehängtheit erkennen viele ländliche Bewohner Unterschiede, wie etwa fehlende Kulturangebote oder einen eingeschränkten öffentlichen Nahverkehr. Dennoch zeigen qualitative Studien, dass die Menschen oft mit ihren Lebensverhältnissen zufrieden sind und Aspekte wie Natur und Raum schätzen.
Klärner macht auch deutlich, dass die Unzufriedenheit mit der Politik, insbesondere in Ostdeutschland, zwar vorhanden ist, jedoch nicht allein auf materielle Mängel zurückzuführen ist. Themen wie Migrationspolitik oder Genderfragen führen zu einem Gefühl der Unsicherheit. Es sei jedoch anzumerken, dass diese Unzufriedenheit landesweit verbreitet ist und nicht ausschließlich auf ländliche Gebiete beschränkt ist.
Eine mögliche Erklärung für das stark vereinfachte Bild vom Stadt-Land-Gegensatz ist die Medienberichterstattung, die sich oft an populären Narrativen orientiert. Politische Akteure, vor allem aus dem rechten Spektrum, nutzen diese Erzählungen, um ihre Agenda zu fördern.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Stadt-Land-Gegensatz in Deutschland komplexer ist, als es auf den ersten Blick scheint. Die vermeintlichen Unterschiede sind nicht so gravierend, und viele ländliche Bürger empfinden sich keineswegs als abgehängt oder benachteiligt. Es bleibt zu hoffen, dass diese Erkenntnisse in zukünftigen politischen Debatten mehr Berücksichtigung finden werden.