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Sexarbeiterinnen in der Schweiz: Ein dunkles Kapitel voller Gewalt

2024-11-15

Autor: Simon

»Er hat mich brutal misshandelt. Während des Geschlechtsverkehrs war er sehr gewalttätig, und ich konnte nur warten, bis es vorbei war.« Diese erschütternden Worte stammen von einer anonymen Sexarbeiterin aus der Schweiz. Misshandlungen, Schläge und ungeschützter Sex sind Realität für viele Frauen in der Sexarbeit – und das auch in einem Land wie der Schweiz, das oft als fortschrittlich gilt.

Eine aktuelle Studie von Procore, einer Schweizer NGO, die sich für die Rechte von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern einsetzt, zeigt alarmierende Ergebnisse: 70 Prozent der Befragten berichteten von sexualisierter Gewalt. Die Studie basiert auf den Berichten von 24 Sexarbeiterinnen und ist somit nicht repräsentativ, legt aber dennoch einen gewissen Schatten auf die Branche.

Die Mehrheit der Teilnehmerinnen, 22 Frauen und 2 Transfrauen im Alter von 28 bis 63 Jahren, hat einen Migrationshintergrund und arbeitet größtenteils legal, jedoch sind viele in schwierigen Bedingungen gefangen. Schweizer Experten schätzen, dass etwa 75 Prozent der Frauen im Sexgewerbe Migrantinnen sind, die oft unter prekären Verhältnissen leiden.

Immer wieder berichten die Befragten von Formen sexualisierter Gewalt, darunter fast drei Viertel, die von 'Stealthing' – der uneinvernehmlichen Entfernung des Kondoms – betroffen waren. Dies stellt eine strafbare Handlung dar. Zudem äußerten mehr als ein Drittel der Frauen, dass sie körperliche Gewalt wie Ohrfeigen oder Fausthiebe erfahren haben. Eine betroffene Frau schildert ihren Albtraum: "Mir wurden K.-o.-Tropfen in mein Getränk gegeben. Ich wachte nackt in einem Zimmer auf und konnte mich an nichts erinnern."

Die emotionale und psychologische Auswirkungen sind ebenso gravierend. Fast die Hälfte der Befragten fühlt sich von Kunden diskriminiert und herabgewürdigt, was auf ein ungünstiges Machtverhältnis zwischen den Sexarbeiterinnen und ihren Kunden hinweist.

Die genaue Zahl der Frauen, die von Gewalt im Sexgewerbe betroffen sind, ist schwer zu ermitteln, da es nur begrenzte Daten gibt und viele Organisationen auf Schätzungen angewiesen sind. Diese Schätzungen sprechen von 350.000 Schweizern, die mindestens einmal im Jahr Freier sind, was nahezu jeden fünften Mann zwischen 20 und 65 Jahren betrifft. Während die Schätzungen für Personen im Erotikgewerbe zwischen 4.000 und 20.000 schwanken, bleibt unklar, wie viele in der Schattenwirtschaft tätig sind.

Finanziell gesehen ist die Sexarbeit in der Schweiz äußerst lukrativ – jährlich werden zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Franken im Sexgewerbe umgesetzt, wobei der Großteil in die Taschen der Bordellbesitzer und Internetplattformen fließt.

Die Debatte um eine mögliche Kriminalisierung von Freiern gewinnt an Fahrt. Obwohl Prostitution in der Schweiz legal ist, gibt es immer wieder Diskussionen über den Schutz von Sexarbeiterinnen angesichts der Gewalt, die sie erleben. Viele Frauen erstatten keine Anzeige – laut der Procore-Studie wandte sich nur etwa ein Drittel an die Polizei. Oft haben die Betroffenen Angst vor Konsequenzen, insbesondere wenn sie illegal im Land sind und sich vor einer Abschiebung fürchten.

Die Zürcher Frauenzentrale betont, dass es schwierig ist, zwischen freiwilliger und erzwungener Sexarbeit zu unterscheiden, und fordert die Einführung des Nordischen Modells, das Freier bestraft, nicht jedoch die Sexarbeiterinnen. Dieses Modell hat bereits in Ländern wie Frankreich und Schweden zu einem Rückgang von Gewalt gegen Sexarbeiterinnen geführt.

Im Gegensatz dazu argumentieren Organisationen wie Procore, dass ein Verbot des Sexkaufs das Risiko für Sexarbeiterinnen erhöhen könnte. Ihre Forderung ist klar: die Entkriminalisierung der Sexarbeit und der Abbau bürokratischer Hürden für legale Sexarbeit. Zudem sollten Frauen, die illegal im Land leben, die Möglichkeit haben, Gewaltdelikte zu melden, ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Die Situation bleibt komplex und erfordert dringende gesellschaftliche und politische Lösungen, um die Rechte von Sexarbeiterinnen zu schützen und ihre Sicherheit zu gewährleisten.