Gesundheit

Revolutionäre Entdeckung: Krebszellen unter Druck aktivieren neue Energiequellen

2025-09-01

Autor: Gabriel

Die faszinierende Rolle der Mitochondrien

Ein Forschungsteam unter Leitung von Verena Ruprecht an der Universität Innsbruck und dem Centre for Genomic Regulation in Barcelona hat bahnbrechende Erkenntnisse über Krebszellen gewonnen. Mit modernster Mikroskopietechnologie und einem innovativen Ansatz, bei dem Zellen auf nur drei Mikrometer komprimiert werden, entdeckten die Wissenschaftler, dass die Mitochondrien innerhalb von Sekunden in Reaktion auf Druck an die Zellkernoberfläche wandern und zusätzliches ATP, die Energiequelle der Zellen, dorthin pumpen.

Die Überraschung: Mitochondrien als dynamische Helfer

"Diese Beobachtungen zwingen uns, die Rolle der Mitochondrien im menschlichen Körper neu zu überdenken", erklärt die Forscherin Sara Sdelci. Statt bloßer Energiespeicher fungieren Mitochondrien als agile Erste-Hilfe-Einheiten, die bei Drucksituationen aktiviert werden. In 84 % der komprimierten HeLA-Zellen, einer etablierten Krebszelllinie, wurde beobachtet, dass sich die Mitochondrien um den Zellkern verdichten und diesen sogar nach innen wölben.

Schnelle Reaktion auf Druck: Der Schlüssel zur Anpassung

Ein fluoreszierender Sensor zeigte aufschlussreiche Ergebnisse: Innerhalb von nur drei Sekunden nach der Kompression stieg das ATP-Signal um 60 Prozent an. Fabio Pezzano, einer der Studienautoren, sieht darin einen klaren Beweis dafür, dass sich die Zellen aktiv an Stress anpassen, indem sie ihren Stoffwechsel umstellen.

Die Dringlichkeit des zusätzlichen ATP

Doch warum ist dieser Energieschub so entscheidend? Weitere Experimente zeigten, dass mechanisches Komprimieren auch das Erbgut belastet, was zu DNA-Schäden führen kann. Zellen benötigen ATP-reiche "Reparaturteams", um beschädigte DNA zu reparieren. Während komprimierte Zellen mit einem Energieschub binnen Stunden ihre DNA reparieren konnten, stauten andere Zellen ohne diesen Energieschub Fehler auf und konnten sich nicht mehr korrekt teilen.

Bedeutung für die Krebsforschung

Um die Relevanz dieser Entdeckung für Krebserkrankungen zu bestätigen, wurde Gewebe von 17 Brustkrebspatientinnen untersucht. Die Ansammlungen von "NAMs" (mit Zellkern verbundene Mitochondrien) traten in 5,4 % der Zellkerne an Tumorgrenzen auf, während es in dichten Tumorkernen nur 1,8 % waren. Ritobrata Ghose, Mitautor der Studie, betont die weitreichende Bedeutung dieser Erkenntnisse.

Einblicke in zelluläre Mechanismen

Das Forschungsteam konnte außerdem den Mechanismus aufdecken, der diesen mitochondrialen Energieschub ermöglicht. Aktinfilamente, die auch die Muskelbewegung steuern, ordnen sich um den Zellkern an und bilden mit dem Endoplasmatischen Retikulum ein tragendes Netz. Diese Strukturen stabilisieren die NAMs und treiben die ATP-Produktion an. Sobald das Aktin durch das Toxin Latrunculin A geschädigt wurde, brach die NAM-Bildung zusammen und der ATP-Strom reduzierte sich erheblich.

Eine neue therapeutische Perspektive

Wenn metastasierende Krebszellen auf NAM-gesteuerte Energieschübe angewiesen sind, könnten neue Medikamente, die das zelluläre Gerüst angreifen, Tumore weniger invasiv machen, ohne gesunde Zellen zu schädigen. "Mechanische Stressreaktionen sind ein noch ungenutzter Ansatz zur Bekämpfung von Krebs, der neue therapeutische Möglichkeiten eröffnen könnte", so Verena Ruprecht.

Ein universelles Phänomen?

Obwohl die Studie sich auf Krebszellen konzentrierte, legen die Forscher nahe, dass dieses Phänomen auch in anderen biologischen Kontexten relevant ist. Zellen, die sich durch engen Raum bewegen, Neuronen, die ihre Verzweigungen verlängern, und embryonale Zellen während der Entwicklung werden ebenfalls ähnlichen physikalischen Kräften ausgesetzt. Ruprecht schließt: "Wo auch immer Zellen unter Druck stehen, sorgt ein Anstieg der Zellenergie wahrscheinlich dafür, dass das Genom geschützt bleibt. Diese Entdeckung könnte unsere grundlegenden Kenntnisse der Zellbiologie revolutionieren."