Gesundheit

Polly Matzinger: Von der Barkeeperin zur Pionierin der Immunologie

2024-12-27

Autor: Noah

Polly Matzinger hat sich von ihrer Zeit als Barkeeperin zu einer der einflussreichsten Wissenschaftlerinnen im Bereich der Immunologie entwickelt. Ihre Promotionsschrift führte zur heute noch weit anerkannten Hypothese der Alloreaktivität. Diese besagt, dass alloreaktive T-Zellen in der Lage sind, zahlreiche verschiedene zelluläre Antigene, wie Peptide, in Verbindung mit einem MHC-Komplex zu erkennen. Dies ist besonders bedeutend bei Organtransplantationen, wo T-Zellen auf fremde MHC-Komplexe reagieren und möglicherweise das transplantierte Organ abstoßen. Zusammen mit Mike Bevan schlug sie das Konzept des Cross-Primings vor, welches beschreibt, wie bestimmte antigenpräsentierende Zellen (APCs), insbesondere dendritische Zellen, exogene Antigene aufnehmen und diese im Kontext von MHC-Klasse-I-Molekülen präsentieren. Dies führt zur Aktivierung von CD8-T-Zellen, die für die Zell-gerichtete Immunantwort entscheidend sind.

Im Jahr 1986 wechselte Matzinger in das Labor von Herman Waldmann an der Universität Cambridge, wo sie einen grundlegenden Nachweis für die MHC-abhängige T-Zell-Toleranz erbrachte. 1983 trat sie dem Institut für Immunologie (BII) in Basel bei, wo sie in der Lage war, innerhalb von nur sechs Jahren sechs bedeutende Arbeiten zu veröffentlichen, darunter drei in dem angesehenen Fachblatt Nature. Hier prägte sie den Begriff „professionelle“ antigenpräsentierende Zelle, die naive CD4-T-Zellen aktivieren kann, und identifizierte B-Zellen als „Semi-Profis“, die Gedächtnis-T-Zellen aktivieren, jedoch keine naiven T-Zellen.

1989 begann sie eine 24-jährige Karriere am National Institutes of Health (NIH) in Bethesda als „Special Investigator“ und leitete die Abteilung für Immunologische Toleranz und Gedächtnis, das sogenannte Ghost Lab. Der Name stammt von den neun Monaten, während denen das Labor unbesetzt blieb, während Matzinger in der Chaos-Theorie forschte, um mögliche Vorhersagen über Immunreaktionen zu treffen. Im Ghost Lab baute sie ihre Forschung über die Rolle von B-Zellen als APCs aus und entdeckte, dass diese sowohl Toleranz als auch die Aktivierung von CD4-T-Zellen induzieren können, abhängig vom Aktivierungsstatus der T-Zellen.

Eine ihrer bedeutendsten Entdeckungen ist das Danger-Modell, das sie gemeinsam mit dem Immunologen Ephraim Fuchs entwickelte. Dieses Modell stellt das damalige Dogma in Frage und argumentiert, dass es nicht die Fremdartigkeit eines Antigens ist, die eine Immunantwort auslöst, sondern vielmehr Schäden. Diese Sichtweise wurde besonders relevant bei der Untersuchung von Allergien, wo Matzinger aufzeigte, dass toxische Chemikalien und allergene Proteasen Allergien hervorrufen können, indem sie Zellen direkt schädigen. Sie kategorisierte Allergene in drei Gruppen, die von selbst Schäden verursachen, die in Verbindung mit Schadensfeststellern stehen oder endogene Alarmsignale nachahmen.

Durch die Etablierung eines diversen Forschungsteams im Ghost Lab wurden zahlreiche relevante Fragen in der Immunologie adressiert, wie orale Toleranz, parasitäre Infektionen und die Aktivierung dendritischer Zellen. Ihre Offenheit für neue Ideen und Perspektiven hat das Forschungsumfeld im Labor gefördert und zahlreiche innovative Studien hervorgebracht.

Matzinger ist bekannt für ihren scharfen Intellekt und ihre charmante, humorvolle Persönlichkeit. Ihre Herangehensweise an die Wissenschaft zeichnet sich durch eine Liebe zum Detail aus, wodurch sie oft zu lösungsorientierten Ansätzen gelangt und bestehende Annahmen hinterfragt. Ihre, manchmal brutale, Ehrlichkeit beim wissenschaftlichen Diskurs ist eine ihrer Charaktereigenschaften, die sowohl bewundert als auch kritisch betrachtet wird.

Außerhalb des Labors ist Matzinger ebenso bunt und vielschichtig. Ihre Laufbahn begann sie als Bartenderin und erweiterte ihr Spektrum über Tischlerei, Jazz-Musik, Hundetraining bis hin zu einer Zeit als Playboy-Bunny. Ihre Fähigkeiten als Hundetrainerin führten sie sogar dazu, für das US-Team bei Weltmeisterschaften im Schafhüten zu konkurrieren und eine neue Schafrasse namens Gotlands einzuführen.

Obwohl das Ghost Lab 2013 geschlossen wurde, bleibt Matzinger ein geschätztes Mitglied der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Derzeit lebt sie auf ihrer Farm, wo sie ihre Leidenschaft für die Schafzucht auslebt und weiterhin zur Wissenschaft beiträgt, unter anderem durch ihre Arbeiten zu den Ursachen für die Ineffektivität des Masernimpfstoffs bei Kleinkindern. Ihre bemerkenswerte Reise von der Barkeeperin zur Immunologin ist nicht nur inspirierend, sondern zeigt auch, dass Leidenschaft und Engagement in der Wissenschaft bahnbrechende Entdeckungen ermöglichen können.