Neonazi-Verschwörung? Der Brand des Asylzentrums in Chur 1989
2025-01-18
Autor: Sofia
Der Brand in einer Asylunterkunft in Chur im Jahr 1989 könnte weitreichendere rassistische Motive gehabt haben, als es zunächst den Anschein hatte. Aufgrund einer sorgfältigen Recherche von Tamedia tauchen nun verstörende Details auf, die auf einen gezielten Anschlag von Rechtsextremen hindeuten.
In den Akten fand sich ein erschreckendes Bekennerschreiben, das von einer neonazistischen Gruppe verfasst wurde, die explizit gegen Flüchtlinge, insbesondere aus Sri Lanka, agierte. Zudem bleiben viele Fragen offen, da die Ermittlungen nach nur drei Monaten eingestellt wurden, trotz eindeutiger Hinweise auf Brandstiftung.
Am 2. Juli 1989 gegen 2:15 Uhr brach ein Feuer in der Asylunterkunft an der Alexanderstraße aus. Die Flammen schossen aus dem Treppenhaus empor, was zahlreiche Menschen dazu zwang, aus den Fenstern zu springen, und vier Menschen das Leben kostete. Darunter waren die beiden Brüder Murali und Mugunthan, die auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka waren. Ihre Eltern hatten ihnen eigentlich den Besuch bei ihrem Onkel verboten, doch sie folgten seiner Einladung.
Die Recherchen zeigen, dass innerhalb weniger Monate vier ähnliche Brände in Flüchtlingsunterkünften stattfanden. In jedem Fall wurde Brandbeschleuniger verwendet – ein wiederkehrendes Muster, das auf eine organisierte Vorgehensweise hinweist.
Insbesondere das Bekennerschreiben der Gruppe "Pakt Rütli-Schwur 1991" ist alarmierend. Darin wird unverhohlen zur Gewalt aufgerufen: „Brandstiftung? JA!“ sowie „Raus mit dem Asylanten- und Rauschgiftpack aus unseren Dörfern und Städten oder wir verheizen das Gesindel!“
Zeugen berichten von einer feindlichen Atmosphäre gegenüber Flüchtlingen in der Stadt. Als der Brand ausbrach, sollen manche Nachbarn Hilfe geleistet haben, während andere sich eher abwendeten oder über den Zaun hinweg schauten. Dies wird durch die kürzlichen Flugblätter der sogenannten „Anti-Tamilen-Organisation“ verstärkt, die den Hass gegen Tamilen schürten.
Ein entscheidender Hinweis – das Stehlen von Benzin aus einem Anwohnerauto – wurde von den Behörden nicht ausreichend verfolgt. Trotz Hinweisen und Möglichkeiten zur Aufklärung der Brandursache waren die Ermittler offenbar nicht in der Lage oder willens, die notwendigen Schritte zu unternehmen. Die Sonderkommission wurde vor der Erhebung relevanter Beweise aufgelöst und der Fall wurde aus Mangel an konkretem Tatverdacht endgültig eingestellt.
Es ist schockierend zu erfahren, dass die Glaubwürdigkeit der Ermittlungen durch eine misslungene Zusammenarbeit der verschiedenen Polizeibehörden untergraben wurde. Dazu kommt, dass Zeitzeugenberichte und fotografisches Material, das Beweismaterial darstellen würde, nicht einmal angefordert wurden.
Das Versagen der Strafverfolgungsbehörden und die verharmlosende Sicht auf die Vorfälle wirft ein düsteres Licht auf die gesellschaftlichen Strukturen jener Zeit, die fremdenfeindliche Einstellungen toxisch nährten. Nach über 30 Jahren bleiben viele Stellen unklar, und die Eltern der Brandopfer, die nach Gerechtigkeit rufen, sehen sich mit einer erdrückenden Mauer des Schweigens konfrontiert.
Der Fall ist nicht nur ein Mahnmal für die Flüchtlingspolitik der Vergangenheit, sondern auch ein Aufruf zur Wachsamkeit in der heutigen Zeit, wo Rassismus und Extremismus wiederaufleben.
Was geschah mit den Verantwortlichen? Wie konnte es zu solch einem fahrlässigen Umgang mit Beweisen kommen? Fragen, die auch heute noch drängen und möglicherweise nie beantwortet werden.