Nachfolgekrise im Baugewerbe: Firmen stehen vor großen Herausforderungen
2025-01-07
Autor: Simon
Rolf Bressan, ein 67-jähriger Unternehmer aus Arbon TG, sieht sich gezwungen, seine über 100 Jahre alte Bauunternehmung zu schließen. Sein Rückzug in den Ruhestand hat gravierende Konsequenzen — 35 Mitarbeitende stehen vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze, da die Nachfolge nicht geregelt werden konnte. "So etwas macht man nicht einfach so", erklärt Bressan nachdenklich.
Obwohl die Auftragslage in den letzten Jahren schwierig wurde, betont er, dass seine Firma finanziell stabil sei. Doch das Fehlen eines geeigneten Nachfolgers zwingt ihn zur Schließung. "Ich musste einsehen, dass ich nicht mehr die Kraft und Motivation habe, eine Krise durchzustehen", so Bressan.
Fast 100.000 Unternehmen in der Schweiz von Nachfolge-Problemen betroffen
Mit seinem Schicksal steht Bressan nicht allein da. Laut einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Dun and Bradstreet (D&B) ist bei jedem sechsten der insgesamt 650.000 Unternehmen in der Schweiz die Nachfolge ungeklärt. Besonders ernst ist die Lage für kleinere Betriebe, von denen viele bis 2024 eine Lösung finden müssen – eine besorgniserregende Entwicklung, stark angestiegen im Vergleich zu den letzten zwei Jahren.
Große Unternehmen sind ebenfalls betroffen: Rund 500 suchen nach Nachfolgern, und auch hier steigt die Zahl der unbesetzten Positionen. Das Baugewerbe zählt dabei zu den am stärksten betroffenen Branchen, neben dem Gesundheitswesen und dem Einzelhandel.
Nachfolgeproblematik durch demografischen Wandel verstärkt
In einer Studie von PWC, die die Expertin Alexandra Bertschi leitet, wird deutlich, dass der Mangel an Nachwuchs nicht nur für die Wirtschaft schädlich ist, sondern auch durch demografische Veränderungen erklärbar. "Die Babyboomer-Generation tritt in den Ruhestand, während weniger jüngere Nachfolger nachkommen. Viele junge Menschen der Generation Z streben andere Lebensmodelle an, was die Situation zusätzlich erschwert", so Bertschi.
Traditionelle Familienunternehmen setzen oft auf familiäre Nachfolger, was jedoch nicht immer gelingt. Bressan gibt zu, dass seine eigenen Kinder von der harten Arbeitsbelastung abgeschreckt wurden. "Vielleicht haben sie gesehen, wie viel ich gearbeitet habe und möchten diesen Weg nicht gehen. Ich respektiere ihre Entscheidung", gesteht er.
Experten raten, die Nachfolgesuche fünf bis zehn Jahre vor dem geplanten Rücktritt zu beginnen. Oft ist dieser Prozess emotional belastend und hat auch finanzielle Aspekte.
Für Rolf Bressan sind nun 35 Mitarbeitende betroffen. Während er sich auf seine Pensionierung freut, belastet ihn das Gefühl, anderen keinen Arbeitsplatz mehr bieten zu können: "Das ist kein schönes Gefühl, das wünsche ich niemandem. Es wäre schöner gewesen, die Firma erfolgreich zu übergeben und zu sehen, dass sie weiterlebt."
Dies ist ihm nicht gelungen. Ab Frühling wird seine Firmengeschichte enden, die Kündungsgespräche sind bereits im Gang. Bressan verkleinert schrittweise den operativen Betrieb – ein weiteres Beispiel für die vielschichtigen Herausforderungen, mit denen das Baugewerbe konfrontiert ist.
Die Frage bleibt: Wie viele weitere Unternehmen werden in den nächsten Jahren in derselben Situation sein? Schon jetzt ist abzusehen, dass die Nachfolgeproblematik die Zukunft des Baugewerbes in der Schweiz stark beeinflussen könnte.