Martin Gauss, Air Baltic: «Alles läuft nach Plan – aber gibt es wirklich keine Probleme?»
2025-01-08
Autor: Alina
In einem jüngsten LinkedIn-Beitrag hat der Aufsichtsratsvorsitzende von Air Baltic angedeutet, dass die Verhandlungen mit einem potenziellen Investor möglicherweise nicht so reibungslos laufen, wie ursprünglich erwartet. Was genau sind die Probleme?
Martin Gauss*: Verhandlungen über den Verkauf von Anteilen
Die Verhandlungen über den Verkauf von Anteilen der Regierung, die die Mehrheit an Air Baltic hält, sind im Gange. Diese Gespräche werden durch Anwälte und Berater geleitet. Als Airline koordinieren wir uns eng mit der Regierung, insbesondere bei technischen Fragen. Nach meinem Wissensstand läuft jedoch alles wie geplant. Von größeren Reibungen ist mir nichts bekannt, obwohl beide Seiten wahrscheinlich eine Einigung noch im Jahr 2024 anstreben.
Hat sich also seit der letzten Aktualisierung abgesehen von einer Verzögerung nichts geändert?
Korrekt. Die Regierung hat vor Weihnachten mitgeteilt, dass sie in fortgeschrittenen Gesprächen mit einem Investor ist, der vor dem geplanten Börsengang bei Air Baltic einsteigen soll. Wer dieser Investor ist, ist jedoch noch nicht bekannt, und ich darf keine Details dazu geben. Die Verhandlungen mit diesem Investor laufen weiterhin ohne Veränderungen.
Wie groß wird dieser Anteil sein?
Gerüchte besagen, dass Lufthansa an 10 Prozent interessiert ist. Könnte es auch mehr werden?
Ich kann dazu leider keine spezifischen Informationen geben.
Was sollte der Investor neben finanziellen Mitteln mitbringen?
Der Verkehrsminister hat es gut formuliert: Es handelt sich um eine international gelistete Airline, die einen strategischen Investor sucht. Das passt zu unserem Profil.
Verhandeln Sie mit einem Investor oder mehreren?
Aktuell verhandeln wir nur mit einem Investor.
Wann rechnen Sie mit einer Einigung?
Vor dem Börsengang. Mehr kann ich dazu momentan leider nicht sagen.
Wann wird der Börsengang erwartet?
Der Börsengang ist für 2025 geplant, abhängig davon, wie sich der Markt entwickelt. Sollte sich der Markt nicht stabilisieren, könnte dies auf 2026 verschoben werden. Investoren bewerten Air Baltic als ein vielversprechendes Unternehmen mit einer soliden Wachstumsrate, auch wenn eine hohe Verschuldung aus der Vergangenheit existiert. Der rechtzeitige Börsengang wird entscheidend sein, besonders im Hinblick auf anstehende Wahlen in den USA im Jahr 2024, die Unsicherheiten mit sich bringen könnten.
Mögliche staatliche Finanzspritzen?
Der Aufsichtsratsvorsitzende hat auch auf mögliche staatliche Finanzspritzen hingewiesen.
Wenn absolut notwendig, könnte die Rückkehr zur Mehrheitseigentümerin und eine Anfrage nach Eigenkapital erforderlich sein. Das möchte ich jedoch vermeiden, da das Management einen Börsengang anstrebt. Das ist eine klare Vorgabe, an der ich arbeite.
Notwendigkeit staatlicher Mittel?
Ich hatte die Aussage des Aufsichtsratsvorsitzenden so interpretiert, dass staatliche Mittel benötigt werden, um die Zeit bis zum Börsengang zu überbrücken. Ist das nicht korrekt?
Das ist nicht der Fall. Wir haben ein Budget für 2025 erstellt, das zeigt, dass wir ohne einen Börsengang bis ins Jahr 2026 kommen können. Andernfalls müssten wir jetzt bereits die Regierung informieren, dass wir kein tragfähiges Budget für die nächsten Schritte aufstellen können.
Finanzieller Rückhalt ausgeschlossen?
Ein finanzieller Rückhalt wird also ausgeschlossen?
Ja, wir haben klare Pläne und sind optimistisch, dass wir den nächsten Schritt unabhängig gehen können. Der Aufsichtsratsvorsitzende hat angedeutet, dass die Zeit nicht auf unserer Seite ist.
Kapitalbedarf und Flugzeugbestellungen
Im Businessplan haben wir einen Kapitalbedarf von 300 Millionen Euro für unsere Flugzeugbestellungen eingeplant. Je mehr Anzahlungen erforderlich sind und je näher die Auslieferungen rücken, desto mehr Eigenkapital benötigen wir. Darauf könnte er mit seinem Hinweis auf die Zeit angespielt haben. 2025 erwarten wir die Ankunft von vier Jets, 2026 dann bereits elf oder zwölf.
Bedeutung des Kapitals für Air Baltic
Dieses Kapital ist für Air Baltic entscheidend, um die Pläne voranzutreiben und die Raten für die Anleihen zu reduzieren. Denn wir haben kürzlich die Anleihe von ursprünglich 340 Millionen Euro auf 380 Millionen Euro bei 14,5 Prozent erhöht.
Refinanzierung ab 2026 notwendig?
Eine Refinanzierung ab 2026 könnte notwendig werden.
Ja, durch zusätzliches Eigenkapital könnten wir unsere Verschuldung verringern, was wiederum unser Kreditrating verbessert. Da die allgemeine Zinslage sinkt, haben wir das Ziel, bei einer neuen Anleihefinanzierung ab 2026 in den einstelligen Prozentbereich zu gelangen.
Alternativen bei staatlicher Beteiligung?
Das Interesse der Regierung, 25,1 Prozent an Air Baltic behalten zu wollen, ist zwar bekannt, aber noch nicht sicher. Welche Alternativen stehen uns offen?
Bei einer erfolgreichen Eigenkapitalakquise wäre es möglich, einen bedeutenden Teil der Anleihe direkt zurückzuzahlen. Das könnten wir vor einem Börsengang in Betracht ziehen, sollte es notwendig sein.
Staatliche Beteiligung beim Börsengang?
Kommt eine staatliche Beteiligung beim Börsengang in Frage?
Das ist momentan noch unklar. Die Regierung möchte 25,1 Prozent an Air Baltic halten, was eine bestimmte Unternehmensbewertung erfordert. Eine Entscheidung darüber könnte jedoch erst während des Börsengangs getroffen werden.
Rücktrittsforderungen im Zusammenhang mit Flugzeugvermietung?
Es gab kürzlich auch Rücktrittsforderungen gegen Sie im Zusammenhang mit der Vermietung von Flugzeugen an die Lufthansa, während die Probleme mit den Pratt & Whitney-Triebwerken Ihre Kapazität beeinträchtigen. Wie nehmen Sie dazu Stellung?
Das Vermieten neuer Flugzeuge führt natürlich zu Verwunderung in der Öffentlichkeit, besonders wenn gleichzeitig Flüge gestrichen werden müssen. Bei Air Baltic operieren wir jedoch mit zwei Geschäftsmodellen: dem Wetlease-Geschäft mit der Lufthansa-Gruppe und unserem regulären Liniengeschäft. Wir können bestehende vertragliche Verpflichtungen nicht einfach ignorieren, auch wenn dies zu Unmut führt. Erfreulicherweise gewinnen wir jedoch zunehmend die Unterstützung der politischen Parteien für unsere Position.
Über Martin Gauss
*Martin Gauss begann seine Karriere in der Luftfahrt 1992 als Pilot einer Boeing 737 bei der British Airways-Tochter Deutsche BA. Er stieg später in die Unternehmensführung auf und war von 2009 bis 2011 CEO der ungarischen Fluggesellschaft Malev. Seit 2011 leitet er Air Baltic.