Kostenloser öffentlicher Verkehr: Tausende von Genfern nutzen gratis Abonnements
2025-01-11
Autor: Laura
Einleitung
Im Jahr 2024 erlebte Genf eine bemerkenswerte Welle der Begeisterung für den öffentlichen Verkehr. Vor den Schaltern der regionalen Verkehrsbetriebe standen die Menschen Schlange, um von einem einzigartigen Angebot zu profitieren: Abonnements für den öffentlichen Verkehr ohne Kosten. Seit dem 1. Januar übernimmt der Kanton Genf die Gebühren für Jahresabonnements für alle unter 25 Jahren im Tarifverbund Unireso. Zudem erhalten AHV- und IV-Bezüger einen Rabatt von 50 Prozent.
Die Nachfrage nach Abonnements
Eine der wartenden Personen war Geneviève, die sich ein Abo für ihre zwei Töchter sicherte. "Für unsere Familie bedeutet das eine Ersparnis von 800 Franken pro Jahr. Jetzt können wir uns etwas gönnen!" erklärte sie lächelnd. Nach nur wenigen Tagen war klar, dass die Nachfrage riesig war. Gemäß Unireso wurden bereits über 31.000 ermäßigte Abos ausgegeben, darunter nahezu 19.000 Gratistickets für Schüler bis 17 Jahre. Außerdem erhielten 4.751 Genfer Jugendliche, die sich in Ausbildung befinden, ihre Jahresbillette, während rund 6.000 Rentner und IV-Bezüger einen halben Preis zahlten.
Politische Unterstützung und Vision
Der Genfer Staatsrat Pierre Maudet (parteilos, ehemals FDP) betonte, dass es bei diesem Projekt nicht nur um ökologische Aspekte gehe. Er erklärte: „Mit diesen Rabatten möchten wir insbesondere die Mittelschicht unterstützen – Familien und ältere Menschen.“ Diese Maßnahmen seien nur der Auftakt. „Ich bin überzeugt, dass sich das Modell eines staatlich finanzierten öffentlichen Nahverkehrs auf lange Sicht bewähren wird“, fügte er hinzu. Die Vision der Zukunft ist eine autofreie Stadt mit kostenlosem öffentlichen Transport.
Ähnliche Maßnahmen im Kanton Waadt
Die großzügigen Subventionen für den öffentlichen Verkehr in Genf sind kein Novum. Bereits seit Sommer 2022 profitieren 20- bis 25-Jährige in Ausbildung und Rentner in Lausanne von einer Halbpreisregelung. Aktuell nutzen über 9.000 Personen dieses Angebot, was einer Steigerung von etwa 15 Prozent im Jahresvergleich entspricht. Die jährlichen Kosten für die Stadt belaufen sich auf 4,1 Millionen Franken. Die Lausanner SP-Regierungsmitglied Émilie Moeschler hob die Bedeutung von Nachhaltigkeit hervor: „Veränderungen im Verkehr sollten keine neuen Ungleichheiten schaffen.“ In naher Zukunft soll das Lausanner Modell auch im gesamten Kanton Waadt Anwendung finden – dies könnte für jeden Bürger Einsparungen zwischen 240 und 320 Franken zur Folge haben. Die finale Zustimmung des kantonalen Parlaments steht jedoch noch aus.
Entwicklungen in der Westschweiz
In mehreren Regionen der Westschweiz werden bereits ähnliche Modelle erwogen oder sind bereits in Kraft. Der Kanton Neuenburg bietet ab diesem Jahr Rabatte auf Jahresabonnements im Wert von 270 Franken an, während in der Stadt Neuenburg ebenfalls bezugsberechtigte Personen gratis öffentliche Verkehrsmittel nutzen können.
Skepsis in der Deutschschweiz
Vor dem Hintergrund solcher Initiativen sind Verkehrsexperten in der Deutschschweiz zurückhaltend. Kay Axhausen, Professor für Verkehrsplanung an der ETH Zürich, äußerte Bedenken hinsichtlich des Gratisangebots. „Wenn der öffentliche Verkehr kostenlos ist, fehlen die Mittel für notwendige Ausbaumaßnahmen“, erklärte er. Politisch wird in vielen deutschsprachigen Kantonen ähnlicher Skepsis begegnet. In den letzten Jahren haben die Juso mehrfach versucht, durch Initiativen kostenlosen öffentlichen Verkehr einzuführen. Diese Vorstöße scheiterten meist, da sie vor der Urne als ungültig erklärt wurden. Dennoch bleibt die Möglichkeit, dass solche Modelle in Zukunft auch in der Deutschschweiz Anklang finden könnten. Für die Genfer Jugendlichen ist der öffentliche Verkehr zwar nicht kostenlos – die Finanzierung übernimmt der Kanton. Die Frage um die Finanzierung bleibt dennoch ein wesentliches Thema für die künftige Verkehrspolitik in der Schweiz.