Wissenschaft

Klimaklage gegen RWE: Ein wegweisender Prozess in der Schwebe

2025-03-19

Autor: Noah

Hamm taz | Der Prozess des peruanischen Bergführers Saúl Luciano Lliuya gegen den deutschen Energiekonzern RWE steht momentan auf der Kippe. Die ersten beiden Prozesstage, die am Montag und Mittwoch stattfanden, endeten ohne ein Urteil, was im Vorfeld von vielen Beobachtern nicht erwartet wurde. Diese beiden Tage verdeutlichten die enorme Komplexität des Falles.

Lliuya lebt in Huaraz, einer Stadt, die durch die Erderhitzung als Folge des Klimawandels bedroht ist. Ein Gletscher über der Stadt schmilzt und bildet einen gefährlich ansteigenden See. Bereits im Jahr 1941 überflutete dieser See die Stadt, was zu einer verheerenden Schlammwelle und dem Tod von Tausenden führte. Obwohl die Schutzwälle heute besser ausgebaut sind, bleibt der Anstieg des Wasserstandes eine ernsthafte Bedrohung für die Bewohner von Huaraz.

Mit seiner Klage fordert Lliuya von RWE, für die notwendigen Schutzmaßnahmen in Huaraz aufzukommen. Dies ist ein einzigartiger Fall, da er nicht auf die Einhaltung von Klimazielen abzielt, sondern auf konkreten Schadensersatz. Ein Sieg für Lliuya könnte weitreichende Folgen haben und anderen Betroffenen ermöglichen, ähnliche Klagen gegen fossile Brennstoffkonzerne einzureichen. Das könnte bedeuten, dass CO2-Emissionen bald sehr kostspielig werden könnten.

RWE hingegen argumentiert, dass das Oberlandesgericht nicht die Verantwortung habe, solche Kompensationen zu entscheiden, da hierfür der Bundestag zuständig sei. Außerdem befürchten sie, dass jede Person mit einem Pkw vor Gericht gestellt werden könnte, sollten die Richter entscheiden, dass die Klage zulässig ist.

Zu Beginn der Verhandlungen wies der vorsitzende Richter Rolf Meyer die Argumente von RWE jedoch zurück. Er stellte fest, dass die CO2-Emissionen einzelner Personen nicht annähernd die von RWE erreichen und somit nicht zu einer Verurteilung führen könnten. Meyer betonte, dass die Angst von RWE unbegründet sei und solche Ängste nicht zu guten Ergebnissen führen.

Roda Verheyen, die Lliuya als Klimaanwältin vertritt und bereits am Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts 2021 beteiligt war, wertet die Annahme der Klage als Erfolg. Richter Meyer bestätigte ebenfalls, dass die Herkunft von RWEs CO2-Emissionen in diesem Fall nicht zur Debatte steht und damit eine wesentliche Grundlage der Klage gegeben ist.

In den Verhandlungstagen wurde diskutiert, ob das Risiko für Lliuyas Haus groß genug ist, um RWE verurteilen zu können. Meyer wies darauf hin, dass der mögliche Schaden an Lliuyas Haus lediglich eine drohende Gefahr darstellt, die noch nicht eingetreten ist.

Der Gutachter Rolf Katzenbach von der Technischen Universität Darmstadt, der vom Gericht bestellt wurde, stellte in seinem Gutachten fest, dass das Risiko einer Flut in den nächsten 30 Jahren bei nur einem Prozent liege. Er argumentierte, dass selbst in einem Risiko-Szenario die Überflutung nur eine Höhe von 20 Zentimetern erreichen würde, was kaum bedrohlich sei.

Im Gegensatz dazu vermutet das Gutachten der Klägerseite, erstellt von der kanadischen Bauberatung BGC, ein Risiko von 30 Prozent über die nächsten 30 Jahre und berücksichtigt mögliche Felsstürze aufgrund des schmelzenden Permafrosts in den Anden. Katzenbach bezeichnete diese Einschätzung als übertrieben und unbegründet.

Die Auseinandersetzungen zwischen den Gutachtern verdeutlichen die Schwierigkeiten, die in dieser rechtlichen Bewertung stecken. Während Katzenbach kritisierte, dass die BGC-Berechnungen nicht valide seien, verteidigte Arenson von BGC seine Ansichten vehement und betonte die Dringlichkeit der Gefahren durch die fortschreitende Erderwärmung.

Trotz der komplizierten Evidenz und der teils unüberwindbaren Differenzen scheinen sowohl die Klägerseite als auch RWE und Katzenbach die Dringlichkeit des Falles zu erkennen. Richter Meyer musste oft während der zweitägigen Verhandlung die Stirn runzeln, da sich die Diskussionen ausweiteten und die Urteilsfindung erschwert wurde.

„Wir müssen überzeugt sein, dass eine konkret drohende Gefahr besteht“, stellte Meyer fest. Die Kläger müssten nachweisen, dass in den kommenden 30 Jahren eine wirkliche Bedrohung für Lliuyas Zuhause vorliegt, was zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht abschließend erkennbar sei. Der Fall bietet einen tieferen Einblick in die Herausforderungen, die der Klimawandel für betroffene Communities mit sich bringt, und könnte als Präzedenzfall für weitere Klagen gegen große Emittenten dienen.

Lliuya äußerte nach dem Prozess, dass er die Möglichkeit sehe, durch diesen Rechtsweg Klimagerechtigkeit zu erzielen. „Ich hoffe wirklich, dass weitere Klagen auch in anderen Regionen ähnliche Chancen auf Gerechtigkeit bieten können.