Hirnentzündung: „Bei bakterieller Meningitis verschlechtert sich die Prognose pro Stunde um 30 %“
2024-11-14
Autor: Laura
Ein neu entwickelter genetischer Test könnte das Leben vieler Menschen retten, indem er Hirnflüssigkeit auf nahezu alle bekannten Erreger untersucht – von Viren über Bakterien bis hin zu Pilzen und Parasiten. Ein Forschungsteam aus den USA hat in einer umfassenden Studie mit Proben der letzten sieben Jahre herausgefunden, dass dieser Test eine zuverlässige Diagnose von Gehirninfektionen ermöglicht und somit eine schnellere Therapieentscheidungen unterstützt.
Infektionen des Zentralen Nervensystems, wie Meningitis oder Enzephalitis, können in kürzester Zeit lebensbedrohlich werden. Laut Experten aus der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) sind schnelle Diagnosen und Behandlungen entscheidend, um schwerwiegende Folgen zu verhindern. Dennoch ist es aktuell oft schwierig, die tatsächliche Ursache von Meningoenzephalitis zu ermitteln, da traditionelle Verfahren nicht immer ausreichen und in vielen Fällen sogar die Ursachen unbekannt bleiben.
Das innovative Verfahren, bekannt als metagenomisches Next-Generation-Sequencing (mNGS), analysiert die Hirnflüssigkeit gezielt auf verschiedene Erregertypen. Dabei wird das zirkulierende Erbgut isoliert und sequenziert, bevor die Daten mit umfangreichen Datenbanken abgeglichen werden. In der neuesten Studie, die Proben zwischen 2016 und 2023 analysierte, konnte bei 14,4 Prozent der getesteten Proben eine Infektion festgestellt werden. Hierbei entdeckte das Forschungsteam bei fast der Hälfte (45,5 Prozent) der Proben DNA-Viren.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der neue Test bei 22 Prozent der Proben als einziges Verfahren den verantwortlichen Erreger identifizieren konnte. Während die Spezifität des Tests bei beeindruckenden 99,6 Prozent liegt, liegt die Sensitivität jedoch nur bei etwa 63 Prozent. Dies bedeutet, dass in einem Drittel der Fälle mit Gehirninfektionen kein Erreger nachgewiesen werden konnte, was laut den Forschern für die Anwendung in der Notfallneurologie ein beachtliches Manko ist.
Ein weiteres Problem dieser Methode ist die Analysezeit, die derzeit etwa 3,5 Tage in Anspruch nimmt. Neurologe Helge Roland Topka erklärte, dass bei bakterieller Meningitis bereits nach einer Stunde durch eine Verzögerung die Prognose um 30 Prozent sinkt. Daher wird häufig auf Verdacht gehandelt, bevor die Testergebnisse vorliegen.
Eine interessante Erkenntnis der Studie zeigt, dass das mNGS-Verfahren auch Erreger identifizieren kann, die nicht gezielt getestet werden, was besonders für mysteriöse Fälle von Bedeutung ist. Zudem hebt die Forschung den Wert für diagnostisch schwierige Erreger hervor, die sich im Labor nur schwer kultivieren lassen. Dazu zählt beispielsweise das Borreliose-Bakterium sowie Erreger von seltenen, aber gefährlichen Krankheiten, wie der Amöbenenzephalitis.
In Mexiko konnte im Jahr 2023 nach einem Ausbruch einer pilzbedingten Meningitis der Erreger Fusarium solani identifiziert werden, was die US-Gesundheitsbehörden auf die Gefahr aufmerksam machte. Studienleiter Chiu betont, dass auch in Deutschland zunehmend Infektionen mit seltenen Erregern durch Fernreisen und globalen Handel zunehmen. Bei rätselhaften Hirninfektionen könnte diese neue Testmethode einen signifikanten Fortschritt darstellen. Topka macht deutlich, dass eine schnellere Testung nicht nur hilfreich wäre, sondern potenziell die Lösung für viele Infektionsprobleme darstellt.
Die Kosten des Tests belaufen sich aktuell auf etwa 3000 Dollar (knapp 2800 Euro), was das Verfahren vorerst nur für wohlhabende Nationen erschwinglich macht. Experten sind jedoch optimistisch, dass die Kosten in Zukunft sinken werden.
Zudem hat Chiu mit einem weiteren Team ein mNGS-Verfahren entwickelt, das innerhalb eines Tages virale Ursachen von Atemwegsinfektionen identifizieren kann, wobei die Zuverlässigkeit im Vergleich zum PCR-Standard bei fast 94 Prozent liegt. Diese Technologien könnten den Weg für effizientere Diagnosen und schnellere Behandlungsstrategien ebnen.