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German Moyzhes an der HSG: Ein Schicksalsschlag mit weitreichenden Folgen

2024-09-17

Er wirkt kühl und besonnen, hat jedoch eine bemerkenswerte Geschichte hinter sich. Der Deutsch-Russe German Moyzhes, der St. Petersburg aus erster Hand kennt, hat versucht, die zivilgesellschaftlichen Strukturen seiner Heimat zu stärken. Als Gast bei regionalen Fernsehsendern und Radiosendern in St. Petersburg ist er beliebt und genießt den Austausch mit Künstlern, Diplomaten und Politikern, einschließlich Mitgliedern der Regierungspartei. Doch im Mai dieses Jahres wird sein Leben auf den Kopf gestellt – er wird in seiner Wohnung von Beamten in Zivil verhaftet. Rasch erkennt er, dass viel auf dem Spiel steht.

Moyzhes schildert seinen dramatischen Fall während seines Vortrags an der HSG. "Es wird spannend werden", prognostiziert Professor Ulrich Schmid, was schon zu Beginn des Events nicht übertrieben wirkt. Während Moyzhes die ersten Schocks verarbeitet hat, trifft er auf einen mit Tattoos bedeckten Mitgefangenen, der ihm psychische Unterstützung bietet und ihn ermutigt, das Unvermeidliche zu akzeptieren.

Von St. Petersburg nach Moskau: Ein besorgniserregender Transport

Mit dem Transport ins berüchtigte Lefortowo-Gefängnis in Moskau beginnt eine neue und düstere Phase. Der Vorwurf des Landesverrats schwebt über ihm, mit potenziellen Strafen von bis zu lebenslänglich. Trotz der Bedrohung wird Moyzhes zunächst nicht schlecht behandelt. Er erhält sogar Kaffee und Kontaktmöglichkeiten. Dennoch bleibt die Ungewissheit quälend.

Nach der ersten Zeit in Einzelhaft wird er in eine Zelle mit einem anderen Insassen verlegt. Der Austausch mit diesem Mithäftling gibt ihm den nötigen Halt. "Du wirst das überstehen", sagt der psychologisch erfahrene Gefangene, der selbst lange Zeit im Gefängnis verbracht hat.

Ein geopolitisches Schachspiel

Rascher Hafterlass und er erkennt bald die Mechanismen eines geopolitischen Spieles. Nachdem er in einen abgelegenen Trakt verlegt wurde, steht der Gefangenenaustausch auf dem Plan. Der Kreml will einen in Deutschland inhaftierten Täter freilassen, während die USA und Deutschland unter Druck stehen. Moyzhes wird zur Schlüsselfigur in diesem komplexen Austauschspiel.

Moyzhes ist kein unpolitischer Mensch, doch sein Hauptaugenmerk liegt auf der Verbesserung der Mobilität in seiner Heimat. Er hat die Veloorganisation „Let’s Go“ ins Leben gerufen, die sich mit den alltäglichen Verkehrsproblemen auseinandersetzt und dabei Erfahrungen sammelt, die auf die Herausforderungen der Zivilgesellschaft in Russland hinweisen.

„Demokratische“ Strukturen sind rar

Die Demokratie ist im russischen Kontext ein ungewohntes Konzept, wie Moyzhes aus eigener Erfahrung weiß. In der patriarchalisch geführten Gesellschaft haben tragfähige zivilgesellschaftliche Strukturen kaum Fuß gefasst. In den letzten dreißig Jahren hat sich das Land in eine autoritär regierte Militärmacht verwandelt, in der der Geheimdienst jeden Einzelnen überwacht und einschüchtert.

„Trotz der drückenden Umstände gebe ich die Hoffnung nicht auf“, erklärt Moyzhes, der sich mit seinen Wurzeln in St. Petersburg verbunden fühlt. „Ich habe die ersten zehn Jahre meines Lebens hier verbracht, bevor ich mit meinen Eltern nach Köln zog. Ein Regimewechsel erscheint zwar unwahrscheinlich, aber vielleicht erleben wir eines Tages eine Wende wie im Tauwetter der alten Sowjetunion.“

Die Geschichte von German Moyzhes ist nicht nur ein beeindruckender Bericht über Mut und Widerstandsfähigkeit, sondern auch ein Spiegelbild der komplexen politischen und sozialen Herausforderungen, mit denen Russland heute konfrontiert ist. Sein Schicksal verdeutlicht die Bedeutung einer starken Zivilgesellschaft und die anhaltende Sehnsucht nach Freiheit.