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Dreckige Lieferketten: Wie Pharmakonzerne ihre Emissionen ins Ausland auslagern

2025-03-21

Autor: Emma

Die Pharmaindustrie ist ein zentraler Bestandteil der Schweizer Wirtschaft und macht einen signifikanten Teil der Wertschöpfung aus. Im Jahr 2023 erzielte die Branche weltweit bemerkenswerte Umsätze von etwa 145 Milliarden US-Dollar. Die Schweizer Pharmaindustrie gilt als der "Motor der Schweizer Wirtschaft" und wird häufig als Vorzeigebranche im Bereich der Nachhaltigkeit angesehen. Aber ist das wirklich der Fall?

Eine aktuelle Analyse von Small World Consulting, die im Auftrag des SRF und des Onlinemagazins Republik durchgeführt wurde, bringt besorgniserregende Fakten ans Licht. Während der CO2-Fußabdruck der Pharmaindustrie innerhalb der Schweiz sinkt, wird der tatsächliche globale Fußabdruck der Branche mehr als fünfmal so groß geschätzt. Im Jahr 2023 stießen Schweizer Pharmaunternehmen geschätzte 27 Millionen Tonnen CO2 und vergleichbare Treibhausgase aus – das sind zwei Drittel aller Emissionen, die in der gesamten Schweiz im gleichen Zeitraum verursacht wurden.

Der Schlüssel zu diesem Problem liegt in den sogenannten "Scope 3"-Emissionen. Diese Emissionen umfassen die Treibhausgase, die entlang der Lieferketten anfallen und nicht direkt von den Unternehmen selbst verursacht werden. Pharmaunternehmen wie Roche konzentrieren sich in ihren Nachhaltigkeitsinitiativen vor allem auf die "Scope 1"- und "Scope 2"-Emissionen, die direkt mit ihren Betriebsstätten verbunden sind. Die herkömmliche Umweltbilanz ignoriert jedoch oft die externen Produktionseinheiten und Lieferketten, die überwiegend im Ausland angesiedelt sind – hierbei handelt es sich um die Prozesse, die die Umwelt erheblich belasten.

Die globalisierte Natur der Pharmaindustrie bedeutet, dass Unternehmen und Zulieferer aus zahllosen Ländern involviert sind. Das stellt eine große Herausforderung dar: Selbst die größten Pharmaunternehmen sind häufig nicht in der Lage, die genauen Emissionsquellen zu identifizieren. Bublu Thakur-Weigold, Expertin für Lieferketten an der ETH Zürich, betont die Komplexität der heutigen globalen Netzwerke in der Branche. "Es gibt keine nationalen Industrien mehr. Alles ist 'made in the world'," erklärt sie.

Ein Beispiel für die globalen Auswirkungen dieser Lieferketten findet sich im Medikament Ibuprofen, einem der weltweit meistverkauften Schmerzmittel. Der Wirkstoff wird hauptsächlich in China, Indien und den USA produziert. Im Jahr 2000 kamen etwa zwei Drittel der generischen Wirkstoffe aus Europa; bis 2020 hat sich dieses Verhältnis umgekehrt, wobei nun zwei Drittel der Wirkstoffe aus Asien stammen. Dies ist zum Teil auf wesentlich günstigere Produktionskosten in diesen Ländern zurückzuführen.

Nachhaltigkeitsberater Matt Bond hebt hervor, dass die Verantwortung für diese Emissionen primär bei den großen multinationalen Unternehmen liegt. Der Großteil der Emissionen wird durch die Entscheidungen dieser Firmen verursacht, und nicht durch das Verhalten einzelner Verbraucher. Die Pharmaindustrie plant, in Zukunft verstärkt auf die Scope 3-Emissionen zu fokussieren und hat bereits Maßnahmen zur Reduktion solcher Emissionen eingeleitet. Im Jahr 2023 strebt Roche an, etwa 18 Prozent dieser Emissionen zu reduzieren, unter anderem durch einen verstärkten Einsatz von Schiffs- anstelle von Flugtransport und durch eine stärkere Verwendung von recyceltem Material.

Allerdings müssen Pharmaunternehmen auch die Entwicklung und Verfügbarkeit von Medikamenten für die Patienten im Auge behalten. Lieferketten-Expertin Thakur-Weigold warnt, dass eine Reduktion der Emissionen nicht auf Kosten der Verfügbarkeit von Arzneimitteln gehen darf. Selbst in der Schweiz sind Engpässe bei bestimmten Medikamenten nicht ungewöhnlich.

Die Herausforderung der Schweizer Pharmaindustrie, umweltfreundlicher zu werden, ist deutlich. Während das Streben nach Nachhaltigkeit vorangetrieben wird, bleibt das Problem: Was den Menschen hilft, könnte dafür sorgen, dass das Klima leidet. Eine Schattenseite, die nicht auf dem Beipackzettel steht und auf die die Branche proaktiv reagieren muss.