Wissenschaft

Die Zukunft der Mathematik: Kann KI das Genie der Menschen ersetzen?

2025-08-22

Autor: Emma

Am Prager Dejvice-Platz, wo das Tschechische Institut für Informatik, Robotik und Kybernetik ansässig ist, fallen die Rohre aus transparenter Folie auf, die das Gebäude umhüllen. In hellen Büros arbeiten die Mitarbeiter von Josef Urban an Rechnern, ganz wie Programmierer – doch ihr Ziel ist es, die Mathematik zu revolutionieren.

Urbans Schreibtisch ist gespickt mit Fachartikeln und Kabeln, doch da liegt auch ein Science-Fiction-Roman: "Galatea 2.2" von Richard Powers, in dem eine KI eine Magisterprüfung ablegen soll. Urban selbst könnte als Protagonist dieser Geschichte gelten – nachdem er als Mathematikstudent dem Schachweltmeister Garri Kasparow beim Verlust gegen den Computer Deep Blue zusah, änderte er seinen Kurs und entschloss sich, Maschinen zu entwickeln, die Mathematik meistern.

In den letzten Jahren hat Urban hart an seinem Traum gearbeitet. Zwei Jahre vor der Veröffentlichung von Chat-GPT trainierte er eine KI mit etwa 30.000 mathematischen Sätzen und Beweisen. Diese KI erzeugte nicht nur bekanntes Mathematik-Wissen, sondern auch zehntausende neue Sätze, von denen die KI einen Teil beweisen konnte. Urban ist überzeugt: Das ist erst der Anfang. "Ich sehe keinen Grund, warum KI nicht auch mathematische Intuition wie Menschen lernen könnte", sagt er.

Mathematik und menschliche Intelligenz:

Mathematik zählt zu den höchsten Ausdrucksformen menschlicher Intelligenz. Die Herausforderung, komplexe Beweise zu führen, ist seit Jahrhunderten eine zentrale Methode im mathematischen Fortschritt. Mathematiker tauschen sich über offene Fragen aus, um tiefere Einsichten in Logik, Zahlen und Geometrie zu gewinnen. Wenn einem Genie der Durchbruch gelingt, den Generationen von Mathematikern nicht gelungen ist, staunen selbst Experten.

Forschung zu Beweisautomatisierung hat eine lange Geschichte. Bereits 1976 bewiesen Mathematiker mithilfe von Computern, dass vier Farben ausreichen, um Länder auf einer Karte klar abzugrenzen. Zwar gehört der Computer längst zum Werkzeugkasten der Mathematiker, das Erbe des menschlichen Genies bleibt jedoch unersetzlich.

Deep Learning: Der Schlüssel zur Kreativität?

Im aktuellen KI-Hype gewinnt Urbans Ansatz an Bedeutung. Die Technologie namens Deep Learning ermöglicht es Computern, Muster in riesigen Datenmengen zu erkennen und Entscheidungen zu treffen, die nicht immer logisch erklärbar sind – ähnlich dem menschlichen Bauchgefühl.

So überraschte die KI Alphago 2016 die Welt, als sie den Go-Weltmeister Lee Sedol mit ungewöhnlichen Zügen besiegte. Die Google-Tochter Deepmind präsentierte kürzlich zwei Algorithmen, die mathematische Beweise generieren können, und bewältigte damit teilweise auch sehr komplexe Probleme.

Pionierarbeit und Herausforderungen:

Josef Urban ist ein Vorreiter auf diesem Feld. Bereits um die Jahrtausendwende forschte er an der Integration von maschinellem Lernen in Beweisautomaten. Sein Team trainierte das Sprachmodell GPT-2 mit Tausenden mathematischen Sätzen. Obwohl viele generierte Sätze plausibel klingen, war ein hoher Anteil falsch. Dennoch entdeckte das Team rund 9.000 korrekte Beweise.

Eines der Hauptprobleme besteht darin, einen Ausgleich zwischen Kreativität und Genauigkeit zu finden. Während Urban darauf besteht, dass die KI aus ihren Fehlern lernen kann, ergeben sich auch neue Herausforderungen, wenn die KI beginnt, eigene Algorithmen und Heuristiken zu entwickeln.

Die Frage nach der menschlichen Intuition:

Urbans Forschung zeigt, dass KIs in der Lage sind, eigene Lösungsansätze zu finden. Doch ob diese Ansätze auch tatsächlich überprüfbar sind, bleibt fraglich. Manche mathematischen Probleme sind so komplex, dass selbst erfahrene Mathematiker sie nur schwer nachvollziehen können.

Markus Pantsar, Mathematik-Philosoph an der RWTH Aachen, sieht in der menschlichen Gemeinschaft, die Mathematik entwickelt, eine Hürde, die KI nicht überwinden kann. Kommunikation und Zusammenarbeit sind entscheidend für Innovationen in diesem Bereich.

Trotz aller Herausforderungen bleibt Urban optimistisch. Er glaubt, dass KI eines Tages auch komplexe, seit Jahrzehnten ungelöste Vermutungen beweisen kann. Um diesen Fortschritt zu erreichen, ist jedoch geduldige, kontinuierliche Forschung gefragt.