Asylchef warnt: Schweizer Asylsystem unter Druck durch zu große Anziehungskraft
2024-11-03
Autor: Lukas
Mario Gattiker, der ehemalige Chef des Staatssekretariats für Migration (SEM), hat das Schweizer Asylsystem als überlastet kritisiert und warnt vor seiner zu großen Anziehungskraft auf Menschen, die keinen Schutzbedarf haben. In einem aufschlussreichen Interview hebt Gattiker hervor, dass die gegenwärtige Situation durch zwei aufeinanderfolgende Krisenjahre, namentlich die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg, verstärkt wurde. Diese Krisen haben zu einem erheblichen Anstieg der Flüchtlingszahlen geführt, was die bereits bestehenden Strukturen stark überfordert.
Gattiker erklärt, dass die Asylverfahren so gestaltet sind, dass zunächst umfassende Hilfe und Unterstützung bereitgestellt werden, bevor überhaupt geklärt wird, ob ein Asylanspruch besteht. Dies zieht erfreuliche, aber auch problematische Effekte nach sich. "Es ist offensichtlich, dass viele Menschen in den Asylstrukturen sind, die eigentlich nicht hier hingehören", so Gattiker. Dies bedeutet, dass das System auch Menschen anzieht, die zwar Unterstützung benötigen, aber nicht im Rahmen des Asylrechts anspruchsberechtigt sind. Seine Analyse zeigt auf, dass künftig bei der Planung der Asylstrukturen bedacht werden muss, dass nicht nur schutzbedürftige Personen in die Schweiz kommen.
Zusätzlich nennt Gattiker Spannungen zwischen den verschiedenen Akteuren im Asylwesen. Die jüngste Entscheidung des Bundes, neun Asylzentren zu schließen, habe den bestehenden Konflikt zwischen Kanton und Bund verdeutlicht. Einige Kantone sprachen sich entschieden gegen diese Schließungen aus, während der Bund dennoch handelte, was zu einem angespannten Verhältnis geführt hat. "Besserer Dialog ist nötig", meint er und sieht die Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen sowie NGOs als entscheidend für eine erfolgreiche Asylpolitik. Diese Zusammenarbeit sei beispielhaft bei der Bewältigung der Herausforderungen während der Ukraine-Krise deutlich geworden.
Gattiker betont zudem, dass Migration eine langfristige Herausforderung für ganz Europa bleibt. Die kontinuierlichen Konflikte an den Grenzen Europas sowie die demografischen Veränderungen in Afrika, verbunden mit globalen Hunger- und Umweltkrisen, zwingen Menschen zur Migration. In Anbetracht dieser Herausforderungen gibt Gattiker zu verstehen, dass die Migrationspolitik nicht allein Lösungen finden kann, sondern lediglich einen Teil zur Milderung dieser globalen Probleme beitragen kann.
Der Druck auf das Schweizer Asylsystem zeigt, wie wichtig es ist, Konzepte zu entwickeln, die den realen Bedürfnissen und Herausforderungen der Zeit gerecht werden. Es bleibt spannend zu beobachten, wie die Schweiz ihr Asylsystem reformieren wird, um sowohl schutzbedürftige Menschen als auch die gesellschaftlichen Herausforderungen verantwortungsvoll zu berücksichtigen.