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Alpabzug mit dem Lastwagen: Animaltruck aus Neckertal bringt Tiere ins Tal

2024-09-17

Dichter Nebel schwebt über den grünen Hügeln der Urnäscher Alp Santmaregg auf 1299 Metern über Meer. Die Temperaturen sind unter zehn Grad Celsius gefallen, und die ersten Schneehellen auf dem Gras zeugen von der Kälte, die bereits im Anmarsch ist. Ein heftiger Sturm fegt durch die Landschaft und lässt den letzten Schnee des Wochenendes schnell verschwinden. Durch die offenen Stalltüren beobachten die neugierigen Braunvieh-Rinder das Treiben auf der Alp gemütlich im trockenen Stroh.

Auf einer Wiese vor den Stallgebäuden stehen zwei Lastwagen mit Anhängern, die den Schriftzug „Lebende Tiere“ tragen. Marco Böni, ein 28-jähriger Fahrer beim Tiertransportunternehmen Animaltruck aus Necker, ist bereit, eine spannende Reise zu beginnen. Zusammen mit Walter Frick und Christian Graf, dem Alpmeister der Landwirtschaftlichen Genossenschaft Speicher, werden sie etwa 60 Rinder von der Alp Santmaregg abtransportieren, um sie nach Speicher zu bringen, wo sie an verschiedene Höfe geliefert werden.

Sägemehl im Transporter sorgt für Komfort

Nach einer Stärkung in der Alphütte – mit köstlichen Bratwürsten, Brot und warmem Kaffee – machen sich die Männer daran, die Rinder in die Transporter zu verladen. Die Laderampe des Anhängers wird geöffnet und das Innere der Lastwagen mit Sägemehl ausgelegt, das den Tieren Halt bietet und ihre Ausscheidungen aufsaugt. „Im Tierschutzgesetz ist genau geregelt, wie viel Sägemehl verwendet werden muss“, erklärt Böni.

Die Rinder kommen langsam aus den Ställen, einige gehe zögerlich zur Rampe, während andere mutig auf die Lastwagen zulaufen. „Man erkennt sofort, welche Tiere Erfahrung beim Transport haben und welche nicht“, bemerkt Böni. Mit vereinten Kräften verladen sie die Tiere im Inneren des Transporters, wo sie mit Abtrenngattern voneinander getrennt werden, je nachdem, zu welchem Bauernhof sie transportiert werden sollen. Nach zwanzig Minuten sind alle Tiere verladen und die Fahrt kann beginnen.

Sind die Rinder unzufrieden, erhöhen sie den Puls

„Mit den Tieren im Lastwagen bin ich viel nervöser als auf der Hinfahrt“, gesteht Böni. „Das Wichtigste ist eine ruhige und vorausschauende Fahrweise. Wenn die Rinder unzufrieden sind, stampfen sie mit den Hufen.“ Die Fahrt durch das steile Gelände in Urnäscher verlangt viel Geschick, da Böni jeden Zentimeter der schmalen Straße nutzen muss. Doch nach zehn Minuten Fahrt hat sich die Stimmung im Lastwagen beruhigt und die Rinder haben sich an die Umgebung gewöhnt.

Animaltruck, ein Unternehmen mit Tradition

Marco Böni, dessen Vater seit 40 Jahren bei Animaltruck arbeitet, ist mit dieser Tätigkeit aufgewachsen. Animaltruck bietet neben Alpviehtransporten auch Transporte von Nutztiere und Schlachttransporte an. Das Unternehmen, das seit seiner Gründung im Jahr 1959 zuverlässig im Geschäft ist, hat sich erst 2003 in Animaltruck AG umbenannt. Die Flotte umfasst 14 Fahrzeuge, die täglich unterwegs sind und oft auch nachts für Tiertransporte einige Wege zurücklegen müssen.

Bei einem jährlichen Durchschnitt von 70.000 Kilometern ist Böni viel auf Achse. Er übernachtet regelmäßig außerhalb, meistens bei langen Einsätzen. „Es ist nicht jedermanns Sache, aber ich habe nichts anderes gelernt und sehe daran nichts Negatives“, bemerkt er. Das Wohl der Tiere hat für die Tiertransporteure höchste Priorität, was durch strenge Kontrollen in der Branche gewährleistet wird.

Konfrontation mit Kritikern und Sicherheitsbedenken

Trotz dieser strengen Regelungen gibt es immer wieder kritische Stimmen. „Menschen zeigen uns beim Vorbeifahren oft den Vogel oder den Mittelfinger“, erzählt Böni. „Ich bin bereit, mit Kritikern in einen Dialog zu treten, ich habe nichts zu verbergen.“ Die Transporter von Animaltruck wurden schon mehrfach mit beleidigenden Parolen beschmiert. Dennoch ist er der Meinung, dass es eine Notwendigkeit für Tiertransporte gibt, solange Menschen Fleisch konsumieren möchten.

Mit einem besorgten Blick auf die Tiere

Nach einer halben Stunde Fahrt erreicht Böni Waldstatt. Er überprüft regelmäßig seinen Transport, um sicherzustellen, dass alle Rinder in Ordnung sind. „Manchmal, wenn es ihnen im Transport nicht gefällt, setzen sie sich hin. Das kann zu Verletzungen führen.“ Um sicherzugehen, klettert er zur Seite des Lastwagens und schaut durch die Schlitze ins Innere.

In Speicher angekommen werden die Rinder an verschiedene Bauernhöfe ausgeliefert, und jeder Transport erfordert sorgfältige Dokumentation, damit alles ordnungsgemäß nachverfolgt werden kann. Böni lenkt seinen Lastwagen sicher durch enge Wohngebiete, und die Auslieferung verläuft ohne Zwischenfälle.

Die Herausforderungen durch Wildtiere

Er fügt hinzu, dass die Tiere sehr sensibel auf Veränderungen ihrer Umgebung reagieren. Vor kurzem erlebte Böni eine stressige Situation, als er einen Transport im Engadin durchführte. Ein Wolf hatte auf einer Alp Rinder gerissen, was zu einer frühen Abreise der Herde führte. „Die Tiere waren deutlich angespannt, als ich ankam“, berichtet er.

Um 16:20 Uhr, fünf Stunden nach dem Start in Santmaregg, kommt Marco Böni schließlich wieder auf dem Parkplatz von Animaltruck in Necker an. Seine letzte Aufgabe des Tages besteht darin, den Lastwagen zu reinigen und für den nächsten Einsatz vorzubereiten. Der nächste Auftrag führt ihn vermutlich nach Gigerwald, wo ein weiterer Alpabzug ansteht. „In diesen Wochen, in denen das Alpvieh in die Berge geht und wieder abgezogen wird, genieße ich die Natur und die neuen Erfahrungen besonders. Das ist für mich die schönste Zeit des Jahres“, schließt Böni.