Landesverrat: Die geheimen Nazi-Aktivitäten im Kanton Uri
2024-12-22
Autor: Simon
Im Winter 1941 trat die damals 19-jährige Olga K. ihren Job als Serviceangestellte im Restaurant Burg in Attinghausen an. Was sie dort erlebte, war so schockierend, dass sie bereits nach zwei Tagen wieder abreiste.
In jedem Zimmer des Gasthauses hingen Bilder des deutschen Reichskanzlers Adolf Hitler. Am Abend versammelten sich im Restaurant Gruppen von 12 bis 14 Personen, die von der Wirtsfamilie mit einem gespenstischen "Heil Hitler" begrüßt wurden.
Diese geheime Versammlung bestand hauptsächlich aus Arbeitern der örtlichen Munitionsfabrik in Altdorf. Sie waren überzeugte Nationalsozialisten, die den Einmarsch Deutschlands herbeisehnten und Pläne für eine Machtübernahme im Kanton Uri schmiedeten. Der Anführer dieser Gruppe war Hans Imholz, der Sohn des Wirtes. Später wurde er vom Militärgericht zu 15 Jahren Gefängnis wegen Landesverrats verurteilt.
Trotz des Schweizer Neutralitätsstatus und der Abneigung gegen das nationalsozialistische Deutschland traten diese heimlichen Nazis offen in Erscheinung. Nach dem Zweiten Weltkrieg geisterte die Geschichte der Umtriebe um die Nazigruppe durch die Region. Der Journalist und Historiker Reto Gamma beschäftigte sich intensiv mit dieser dunklen Episode und veröffentlichte ein Buch mit dem Titel "Die Nazis vom Schächenwald".
Gamma, der in Göschenen aufwuchs, erinnert sich, dass ihm seine Eltern in den 1960er Jahren strikt verboten, im Restaurant Burg zu essen, da der Wirt ein Nazi sei. Nach seiner Pensionierung begann er, dieser Geschichte nachzugehen und fand in den Archiven hunderte Seiten zu den Gerichtsverfahren gegen die Urner Nazis. Die Dokumente offenbarten ein minutiöses Protokoll des Militärgerichts.
Die Sympathien für die Nazis in der Schweiz waren zur Zeit des Zweiten Weltkriegs umstritten. Die meisten Schweizer Bürger waren stark gegen das nationalsozialistische Regime eingestellt, was zu Spannungen und Empörung in der Bevölkerung führte. Immer wieder kam es zu Scharmützeln, inklusive einer dokumentierten Schlägerei zwischen einer Gruppe von Schwingern und den lokalen Nazis. Der Konflikt eskalierte in einem Restaurant, wo Möbel zu Bruch gingen. Die Stimmung in der Munitionsfabrik war ebenfalls angespannt, da viele Arbeiter Sozialdemokraten waren. Gamma beschreibt den Konflikt zwischen der kleinen Gruppe von Nationalsozialisten und dem Großteil der Belegschaft als hochgradig angespannt.
Die Aktivitäten der Urner Nazis blieben nicht unbemerkt. Im Sommer 1941 führte die Urner Polizei Hausdurchsuchungen durch und entdeckte dabei eine Karte der Munitionsfabrik, die Hans Imholz in Vorbereitung auf eine mögliche Unterstützung für das nationalsozialistische Regime angefertigt hatte. Für diese "Verletzung militärischer Geheimnisse" wurde er 1942 wegen Landesverrats verurteilt, entging jedoch knapp der Todesstrafe und musste ins Gefängnis.
Nach fast 10 Jahren wurde Imholz unter Auflagen entlassen. Er übernahm das Gasthaus seiner Eltern in Attinghausen und machte es zu einer beliebten Adresse für hungrige Gäste, die für die berühmten Poulets im Chörbli mit Haussauce anreisten. Dennoch mieden viele Urner Familien das Lokal aus Angst vor der Vergangenheit ihres Wirtes, der ihnen als "Nazi" bekannt war. Imholz starb im August 1984 und hinterließ eine umstrittene Geschichte, die bis heute die Gemüter bewegt.