
Indiens ultraschnelle Lieferdienste: Die modernen Tagelöhner im digitalen Zeitalter
2025-04-06
Autor: Lara
Mohammad Faij, ein 24-jähriger Lieferfahrer in Mumbai, hat die Nase voll. Gemeinsam mit seinen Kollegen steht er in leuchtend orangen Hemden, die das Logo einer populären indischen Liefer-App zieren, an einer stark frequentierten Straße und protestiert. «Anstatt 60 Rupien für eine fünf Kilometer lange Fahrt zu zahlen, wollen sie uns nur noch 40 geben», zeigt sich Faij frustriert. Umgerechnet sind das gerade einmal rund 40 Rappen, von denen er noch das Benzin bezahlen muss.
Lieferdienste, die auf die wachsende Nachfrage nach schnellen Lebensmittellieferungen reagieren, beschäftigen schätzungsweise bereits 20 Millionen Menschen in Indien – und die Zahlen steigen weiter. «Ich finde keine andere Arbeit», sagt Faij resigniert.
Die Bedingungen in Indien sind ideal für superschnelle Lieferungen: große, überfüllte Städte, kaum große Supermärkte, ein Überangebot an günstigen Arbeitskräften und eine Bevölkerung, die angesichts von Hitze, Smog und chaotischem Verkehr vermehrt auf Apps zurückgreift, um ihre Einkäufe zu erledigen.
Liefer-Apps wie Zomato, Swiggy und Zepto bieten vielen Menschen eine Einkommensquelle – allerdings unter prekären Arbeitsbedingungen. Studien zeigen, dass ein Drittel der indischen Universitätsabsolventen arbeitslos ist und viele von denen, die einen Job finden, mit ihren Löhnen kaum über die Runden kommen.
Obwohl Mohammad Faij mit bis zu 25.000 Rupien (ca. 260 Franken) monatlich mehr verdient als der Durchschnitt, verdingt er sich 15 Stunden am Tag im ständigen Stress: Hitze, Verkehr und der Druck, mindestens 30 Lieferungen pro Tag zu schaffen, um eine kleine Zulage zu erhalten. «Manchmal kann ich es mir nicht einmal leisten, Mittag zu essen, aus Angst, eine Bestellung zu verpassen», berichtet er.
Die Liefer-Apps versprechen den Kunden oft Lieferzeiten von zehn Minuten oder weniger. Doch in der Realität, geprägt von Staus und chaotischen Verkehrsbedingungen, kann dieser Anspruch oft nicht eingehalten werden, was zu verärgerten Kunden führt.
Ein paar Meter weiter steht Jatin Naik, ein Manager, der die Vergütung der Fahrer als «balanciert» bezeichnet. «Der durchschnittliche Lohn liegt bei etwa zehn Franken pro Tag – das ist genug», sagt er. Er betont, dass es viele arbeitslose junge Menschen gibt, die bereit sind, für weniger zu arbeiten.
Naik spricht lieber über Wachstum als über Löhne. In den kommenden Monaten sollen weitere «dark stores» eröffnet werden, Lagerhallen, die die Lieferzeiten optimieren sollen. Das könnte bedeuten, dass noch mehr junge Menschen wie Mohammad eine Anstellung finden, während sie zugleich in einer der unsichersten Jobs der modernen Wirtschaft arbeiten.