Unterhaltung

Helene Fischer singt „Aramsamsam“ – Eine Umfrage zur kulturellen Sensibilität und Kinderlieder

2024-11-08

Autor: Nina

Während meiner letzten Reise nach Marokko erlebte ich mit meiner vierjährigen Tochter, wie sie Schwierigkeiten hatte, mit den dortigen Kindern ins Gespräch zu kommen. Aber als sie „Aramsamsam“ anstimmte, geschah etwas Magisches: Die anderen Kinder stimmten sofort ein und sie verbanden sich durch das Lied.

„Aramsamsam“ ist Teil des neuen Kinderlieder-Albums von Helene Fischer, das Anfang November veröffentlicht wurde. Seitdem brodelt die Diskussion: Einige Stimmen behaupten, das Lied könnte die arabische Sprache verballhornen und sollte deswegen vermieden werden. Doch dabei wird oft ein wichtiger Aspekt übersehen – die marokkanischen Wurzeln des Liedes. Je nach Quelle variiert der Fantasieanteil im Text: Während „Aramsamsam“ als Kauderwelsch gilt, könnte „Guli“ im marokkanischen Dialekt „sag mir“ bedeuten und „a rafiq“ oder auch „Arabi“ heißt „ein Freund“.

Die Wurzeln in Marokko

Das Lied hat seinen Ursprung in Marokko und hat sich in der Folge über den Globus verbreitet. Heute findet man es in Kinderlieder-Playlists aus Ländern wie Kroatien, der Türkei und den USA. Der marokkanisch-schweizerische Musiker Samir Essahbi berichtet, dass er es bereits in den 1960er-Jahren als Kind in Marrakesch in der Schule gelernt hat.

Während des Transfers des Liedes in andere Kulturen sind einige klischeehafte Darstellungen entstanden. So wird oft „a rafiq“ als „Arabi“ gesungen, und in Verbindung damit wird manchmal eine Geste nachgeahmt, die dem muslimischen Gebet ähnelt – und genau hier liegt ein sensibles Problem.

Kulturelle bedeutung verändert

Statt von kultureller Aneignung ist es passender, von Orientalismus zu sprechen, ein Konzept, das der Literaturwissenschaftler Edward Said in den 1970er Jahren formulierte. Er beschreibt damit den reduzierten, westlichen Blick auf die arabische Welt. Die Gebetsbewegung in der Choreografie könnte für muslimische Menschen abwertend wirken, und auch die oft stereotypen Darstellungen in Musikvideos, die fliegende Teppiche und Schlangenbeschwörer zeigen, tragen dazu bei, dass „Aramsamsam“ zur Projektionsfläche für Exotismus wird.

Helene Fischer selbst greift in ihrer Version nicht auf diese Klischees zurück. In einem TikTok-Clip weicht sie von der Gebetsgeste ab und legt stattdessen ihre Hände traditionell auf die Wangen, was in vielen Versionen aus arabischen Ländern zu sehen ist.

„Aramsamsam“ gehört also nicht zu den problematischen Kinderliedern wie „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ oder „C A F F E E“, in denen rassistische Stereotypen eine zentrale Rolle spielen. Im Gegenteil, es ist eines der wenigen Lieder im deutschen Kinderlieder-Repertoire mit Wurzeln im globalen Süden.

In einer postmigrantischen Gesellschaft stehen Musikerinnen, Kita-Personal und Eltern in der Verantwortung, die Klischees zu hinterfragen, die im Laufe der Zeit dem Lied aufgeprägt worden sind. Die laufende Debatte könnte ein entscheidender Schritt sein, um bewusst eine differenzierte Interpretation und Choreografie zu wählen, bevor man „Aramsamsam“ mit voller Stimme anstimmt. Und wie man den Ohrwurm anschließend wieder loswird, bleibt dann wohl das nächste Rätsel zu lösen!