Nation

Grenzen im Wandel: Die Verschiebungen der Schweizer Landesgrenze zu Frankreich

2024-11-09

Autor: Gabriel

Der Genfer Halbadler auf dem Grenzstein an der Brücke über das Flüßchen Hermance ist aufgrund von Witterungseinflüssen stark verwittert und kaum noch zu erkennen. Seit mehr als 200 Jahren markiert dieser Stein mit dem Genfer Wappen die Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich, ein Relikt aus der Zeit, als die europäischen Großmächte nach Napoleons Sturz die Neutralität der Schweiz anerkannten.

Doch nun wird sich die Grenze verlagern. Das Umweltprojekt zur Renaturierung der Hermance hat zum Ziel, den Fluss aus seinem festen Kanal zu befreien. "Durch diese Maßnahmen wird sich die Landesgrenze verschieben", erklärt Markus Heilig von swisstopo, dem Bundesamt für Landestopografie. Die Grenze ist hier durch die Flussmitte definiert, und sobald sich der Flusslauf ändert, müssen auch die politischen Grenzen angepasst werden.

Ähnliche Veränderungen stehen am angrenzenden Fluss Foron an. Zudem findet die dritte, grundlegend andere Grenzverschiebung in der Region Genf statt, um eine Tramlinie zu verlängern. "Hierbei geht es darum, dass das Trassee eindeutig in Frankreich oder in der Schweiz liegt", so Heilig.

Die Notwendigkeit von Klarheit ist bei der Grenzverschiebung unumgänglich. "Es kann nicht sein, dass ein Gebäude gleichzeitig in der Schweiz und in Frankreich steht", betont Heilig. Bei Notfällen wie Bränden muss eindeutig festgelegt sein, welche Feuerwehr zuständig ist, wer für Bauanträge verantwortlich ist und wo die Steuern gezahlt werden müssen.

In den Alpen, besonders an der Grenze zu Italien, sind Grenzverschiebungen aufgrund des Klimawandels stets häufiger notwendig. Da viele Grenzen durch Wasserscheiden definiert sind, führt das Schmelzen der Gletscher dazu, dass sich auch die Grenzmarkierungen verschieben können.

Obwohl es oft nur um einige Meter geht, gestalten sich die diplomatischen Verhandlungen bezüglich solcher Grenzverschiebungen langwierig und komplex. Völkerrechtlich ist festgelegt, dass kein Staat Land ohne Kompensation abgeben muss. Das bedeutet, dass Tauschflächen gefunden werden müssen, was vor allem in dicht besiedelten Gebieten eine Herausforderung darstellt.

Das Bundesamt für Landesvermessung bleibt daher zurückhaltend und verrät nichts über die genauen Standorte der bevorstehenden Grenzverschiebungen, bis sowohl der Bundesrat als auch die französische Regierung dem neuen Grenzverlauf zugestimmt haben.

Die verschobenen Grenzen lösen in den Nachbarländern oft ein größeres Interesse aus als in der Schweiz selbst. "Im Ausland wird dieses Thema stets mit mehr Aufmerksamkeit verfolgt; in der Schweiz ist es weniger brisant", führt Heilig aus. Er vermutet, dass die Schweizer mehr Erfahrung mit Kompromissen haben, da sie in den letzten 200 Jahren nicht in internationale Konflikte verwickelt waren. Der verwitterte Genfer Halbadler symbolisiert somit nicht nur die Stabilität der Schweiz, sondern auch die Herausforderungen, die die Fortentwicklung von Grenzen mit sich bringt.