EU-Abkommen unter Beschuss: Was die neue Streitbeilegung zwischen der Schweiz und der EU wirklich bedeutet
2024-12-28
Autor: Nina
Kurz vor Weihnachten haben der Bundesrat und die EU-Kommission die Einigung auf neue Verträge verkündet, die das Streitbeilegungsverfahren zwischen der Schweiz und der EU neu regeln sollen. In diesem Verfahren spielt der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine entscheidende Rolle, was bei Kritikern zu der Auffassung führt, dass es sich um das Eingreifen "fremder Richter" handelt – eine Ansicht, die viele ablehnen. Doch was bedeutet das Ganze für die Schweiz? Inlandredaktor Matthias Strasser erklärt die Details.
Wann kommt das neue Streitbeilegungsverfahren zur Anwendung?
Das neue Verfahren erscheint, sobald es Unstimmigkeiten bei der Auslegung oder Anwendung der bilateralen Verträge gibt. Zuvor wurde ein politisches Gremium, der Gemischte Ausschuss, als alleiniges Forum verwendet. Nachdem in diesem Ausschuss keine Einigung erzielt werden konnte, bedeutet das jedoch nicht automatisch eine Lösung des Problems: Der Streit bleibt ungelöst. Neu können die betroffenen Parteien ein Schiedsgericht anrufen, wenn der Gemischte Ausschuss keine Einigung erzielt.
Wie ist das Schiedsgericht zusammengesetzt?
Im Schiedsgericht sind die Schweiz und die EU gleichberechtigt vertreten, und beide Seiten wählen gemeinsam eine unabhängige Person als Präsidenten des Gerichts. Dies sorgt dafür, dass es keinen Machtmissbrauch gibt und die Verfahrensgerechtigkeit gewahrt bleibt.
Welche Rolle kommen den Richtern des EuGH zu?
Es gibt zwei Arten von Fällen im Schiedsgericht: 1. In Fällen, die nur den gemeinsamen Vertrag betreffen, entscheidet das Schiedsgericht unabhängig, ohne dass der EuGH eingebunden wird. 2. Sollte jedoch EU-Binnenmarktrecht eine Rolle spielen, beispielsweise wenn es um Begriffsdefinitionen geht, muss das Schiedsgericht diese Fragen zur Auslegung an den EuGH weiterleiten. Der darauf folgende Entscheid des EuGH ist für das Schiedsgericht bindend und muss in dessen Urteile einfließen.
Was geschieht nach einem Entscheid des Schiedsgerichts?
Falls die unterlegene Partei den Entscheid nicht akzeptiert, hat die andere Partei Anspruch auf Ausgleichsmaßnahmen. Der Sinn dahinter ist klar: Niemand darf aus einem Vertragsbruch Vorteile ziehen. Die neuen Regelungen schränken diese Ausgleichsmaßnahmen auf die Binnenmarktabkommen ein, und in Zukunft sind Gegenmaßnahmen in Bereichen wie Forschung oder Börse nicht mehr zulässig.
Und wenn eine Partei die Ausgleichsmaßnahmen als unfair empfindet?
In einem solchen Fall kann die betroffene Seite erneut vor das Schiedsgericht ziehen, ohne dass der EuGH hier eine Rolle spielt. Kommt das Schiedsgericht zu der Auffassung, dass die Maßnahmen verhältnismäßig sind, ist der Streit beigelegt. Andernfalls könnten neue Maßnahmen ergriffen werden, wodurch der Prozess erneut beginnt.
Fazit:
Die neuen Verträge bedeuten einen wichtigen Schritt in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU, bringen jedoch auch Bedenken hinsichtlich der Souveränität und der Rolle des EuGH mit sich. Insbesondere in Zeiten von wirtschaftlicher Unsicherheit und politischen Spannungen könnte die Umsetzung dieser Regelungen Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit haben. Viele fragen sich, wie sich diese neuen Regelungen langfristig auf das Vertrauen zwischen den beiden Parteien auswirken werden.