Direkte Demokratie in der Schweiz: Vertrauen in Gefahr durch wiederholte Pannen
2024-09-25
Autor: Louis
Analyse
Die Pannenserie in der Schweiz weist auf ein wachsendes Problem in der Schweizer Politik hin.
Jüngste Vorfälle, wie ein schwerer Auszählfehler bei der Wahl des Stadtparlaments in St.Gallen, haben das Vertrauen in die direkte Demokratie erschüttert. Am Dienstag hatte die Schweizerische Energie-Stiftung (SES) angekündigt, am Mittwoch in Bern 25.000 Unterschriften für ihre Initiative „Sabotage der Energiewende stoppen“ einzureichen. Bei der Überprüfung stellte man fest, dass mehrere Personen mehrfach unterschrieben hatten. Dies führte zu einem Rückgang des ursprünglich angestrebten Ziels, was die Glaubwürdigkeit solcher Initiativen weiter beeinträchtigt.
Am Abstimmungssonntag selbst traten mehrere Pannen auf. In Appenzell-Innerrhoden wurden Stimmen aus einem Bezirk den nationalen Vorlagen fehlerhaft zugeordnet. In Stettlen im Kanton Bern kam es zu einem weiteren Fehler, als die Ja- und Nein-Stimmen bei einer BVG-Reform vertauscht wurden. Auch dies wurde schnell korrigiert, aber solchen Malheuren zeigen die Schwächen im Wahlprozess.
Die größte Enttäuschung ereignete sich in St.Gallen, wo die FDP fälschlicherweise vier Sitze gewinnen sollte, tatsächlich jedoch einen verlor. Bei der manuellen Stimmenauszählung waren mehr als doppelt so viele unveränderte Wahlzettel ins System eingegeben worden als tatsächlich vorhanden.
Menschliches Versagen und technische Unzulänglichkeiten sind häufige Ursachen für diese Pannen und Fehler. Ein besonders gravierender Vorfall ereignete sich bei den eidgenössischen Wahlen vor einem Jahr, wo eine fehlerhafte Datenübertragung beim Bundesamt für Statistik (BFS) dazu führte, dass die FDP zunächst als unterlegen galt, später jedoch als leicht im Vorteil eingestuft wurde.
Die Situation ist nicht nur frustrierend, sondern hat auch ernste Konsequenzen. Ein Beispiel aus dem Kanton Zug zeigt, dass eine Abstimmung über die Transparenz-Initiative der Jungen Alternative für ungültig erklärt wurde, weil neu eingesetzte Stimmzettel fehlerhaft behandelt wurden. Diese Probleme sind Teil eines größeren Musters, das immer wieder auftaucht.
Zuletzt kam es in Bern zu einem weiteren Vorfall, bei dem eine Sammlung von 1.600 Unterschriften zur Mindestlohn-Initiative verschwunden ist. Diese Fehlschläge werfen einen Schatten auf die Glaubwürdigkeit des gesamten demokratischen Prozesses in der Schweiz.
Die direkte Demokratie hat in der Schweiz eine lange Tradition, doch die Häufung solcher Vorfälle könnte das Vertrauen der Bürger in diesen Prozess ernsthaft gefährden. Enthüllungen über bezahlte Unterschriftensammler, die besonders während der Corona-Pandemie überhandnahmen, zeigen, dass auch unser demokratisches System nicht vor Korruption gefeit ist. Die Tamedia-Umfrage, in der 84 Prozent der Befragten ein Verbot solcher professionellen Sammler fordern, verdeutlicht die wachsende Unruhe in der Bevölkerung.
Der Bundesrat sieht weiterhin keinen unmittelbaren Handlungsbedarf und möchte keine nachträglichen Überprüfungen bereits eingereichter Volksinitiativen vornehmen. Doch immer mehr Parlamentarier fordern Maßnahmen, da diese Vorfälle das Vertrauen in die politisch Verantwortlichen untergraben. Der wiederholte Verweis auf das „Vier-Augen-Prinzip“ nach solchen Pannen lässt viele fragen, ob dies tatsächlich immer angewandt wurde oder ob die Eile, Ergebnisse zu liefern, zur Missachtung von Prozessen geführt hat.
Der österreichische Politikwissenschaftler Peter Filzmaier betont: „Vertrauen ist das Fundament jeder Demokratie. Wenn dieses Fundament bröckelt, gefährdet das die gesamte politische Stabilität.“ Die Behörden müssen höchste Sorgfalt walten lassen, um sicherzustellen, dass die Prinzipien der direkten Demokratie gewahrt bleiben. In Anbetracht der jüngsten Pannen wird es immer wichtiger, die Integrität der Wahlen zu schützen und das Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen. Die Gefahr, dass das Vertrauen in die Politik endgültig leidet, wächst mit jeder weiteren Panne.