
Christiane Brunner: Die Pionierin der Frauenbewegung, die die Schweiz veränderte
2025-04-18
Autor: Mia
Christiane Brunner – Eine wahre Frauenikone
Christiane Brunner war eine Frau der klaren Worte und Mut. Als Aussenminister René Felber am 13. Januar 1993 überraschend aus dem Bundesrat zurücktrat, machte sie auf sich aufmerksam. Anstatt sich, wie viele andere, eine lange Bedenkzeit zu nehmen, trat sie am selben Tag vor die Kameras und erklärte deutlich: „Ich kandidiere nicht, weil ich unbedingt Bundesrätin werden will, sondern weil die Frauen erwarten, dass eine Frau Bundesrätin wird.“ Zu diesem Zeitpunkt war die Landesregierung, vier Jahre nach dem Rücktritt von Elisabeth Kopp, ein reines Männergremium, aber nicht mehr lange.
Mutige Pionierarbeit für Gleichstellung
Der Lebensweg von Christiane Brunner ist untrennbar mit der Geschichte der Gleichstellung der Frauen in der Schweiz verbunden. Sie nannte sich selbst Feministin und bekam dafür von ihren Gegnern das Etikett „rote Emanze“ angeheftet. Doch genau das, was sie verkörperte – das Eintreten für die Frauenrechte – machte sie zu einer Pionierin ihrer Zeit.
Aus einfachen Verhältnissen stammend, kämpfte sie sich während ihres Jurastudiums als Werkstudentin durch. Kaum hatte sie ihr Anwaltspatent, führte sie den ersten Prozess um Lohngleichheit in der Schweiz – und gewann diesen vor dem Bundesgericht. Ihre Erfolge setzten sich fort, als sie gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kämpfte und 1991 den ersten landesweiten Frauenstreik initiierte, an dem sich eine halbe Million Frauen beteiligte. Ihr Motto war klar: „Wenn Frauen wollen, kommt alles ins Rollen – wenn Frauen wollen, steht alles still.“
Ein Hauch von Charme und Provokation
Brunner war bekannt für ihren speziellen Stil: charmant, direkt und spritzig. Bei einem ersten Treffen in ihrem Büro beim Schweizer Uhren- und Metallarbeiterverband kredenzte sie einem Gesprächspartner einen Whiskey und bot das Du an. Sie hatte eine Vorliebe für Provokation, etwa, als sie 1991 für die Genfer SP-Frauenliste ein Bibelzitat als Slogan verwendete: „Il n’est pas bon que l’homme soit seul“ (Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei).
Feindseligkeit und Schmutzkampagnen
Doch ihre Offenheit führte auch zu harscher Kritik. Bei ihrer Kandidatur in den Bundesrat wurden ihr Schnelligkeit und unerwartete Lebensentscheidungen vorgeworfen. Man beschwerte sich über ihren Kleidungsstil und ihr lockiges Haar. Als sie gefragt wurde, ob sie das Militärdepartement übernehmen würde, antwortete sie provokant: „Wenn man mir das EMD (heute VBS) zuteilt, gehe ich während acht Jahren nur noch im Minijupe zur Arbeit.“
Skandale und Kritik vor den Wahlen
Ähnlich wie der heutigen US-Vizepräsidentin Kamala Harris wurde Christiane Brunner vorgeworfen, ihr Lächeln sei nicht autoritär genug. Zudem wurde in Boulevardberichten über ihre Ehen und Kinder spekuliert, was zu einer schmutzigen Kampagne führte, die ihren Ruf beeinträchtigen sollte. Als sie im Vorfeld der Wahlen von anonymen Briefen über ein angebliches Nacktfoto erfuhr, zog sie sich für den Rest der Wahlkampfzeit zurück – das Bild tauchte allerdings nie auf.
Eine verhinderte Karriere und ihr Erbe
Statt Brunner wurde Francis Matthey gewählt – doch dieser lehnte aufgrund des Drucks seiner Partei ab. Peter Bodenmann und André Daguet von der SP glätteten schnell die Kandidatur von Ruth Dreifuss, die später in die Landesregierung gewählt wurde. Brunner hingegen wurde für ihre Nichtwahl dank des sogenannten „Brunner-Effekts“ in den Ständerat gewählt und setzte sich für die Rechte der Frauen ein. Ihr Einfluss auf die Politik war bemerkenswert und half, viele Frauen in Legislativämter zu wählen.
Abschied von einer Ikone
Nach ihrer Zeit im Ständerat zog sich Brunner zunehmend zurück und äußerte sich nur noch selten politisch. Am Freitagmorgen, nur vier Wochen nach ihrem Widersacher Francis Matthey, starb sie im Alter von 78 Jahren. Während einige versuchten, Elizabeth Kopp nach ihrem Tod als Ikone der Frauenbewegung zu stilisieren, bleibt der Name Christiane Brunner in Erinnerung als die wahre Pionierin der Frauenrechte in der Schweiz.