Biologie: Ameisen sind überraschend nachtragend – Neue Erkenntnisse über ihr Lernverhalten
2025-01-08
Autor: Nina
Ob Arbeiterin, Türsteherin oder Königin – Ameisen können ihren Platz im Staat nicht selbst wählen. Während die Königin das Ergebnis einer genetischen Bestimmung ist, haben Drohnen nach dem Hochzeitsflug oft ausgedient. Die Aufgaben der Arbeiterinnen ändern sich häufig im Laufe ihres Lebens und sind stark hormonell gesteuert. Doch jetzt haben Forscher aus Freiburg eine erstaunliche Entdeckung gemacht: Ameisen lernen aus ihren Erfahrungen.
In einer Welt, in der die Grenze zwischen Freund und Feind oft durch Geruch definiert wird, sind Auseinandersetzungen zwischen Ameisen nicht selten. Wenn es zu einem Konflikt kommt, setzen sie ihre kräftigen Mandibeln als Waffe ein oder spritzen ätzende Säure. Besonders aggressiv verhalten sich die Mitglieder konkurrierender Nachbarstaaten: Je näher die Nester beieinanderliegen, desto intensiver sind die Feindschaften. Die Schwarze Wegameise (Lasius niger), die auch in deutschen Gärten weit verbreitet ist, ist hier keine Ausnahme.
Eine beeindruckende Studie im Fachmagazin Current Biology (Mey et al., 2024) hat gezeigt, dass Ameisen sich an frühere Kämpfe erinnern. Das Forschungsteam unter der Leitung des Evolutionsbiologen Volker Nehring führte Experimente durch, bei denen die Ameisen aus verschiedenen Völkern für kurze Zeit zusammentrafen. Es stellte sich heraus, dass die Ameisen, die negative Erfahrungen aus einem Kampf gesammelt hatten, beim nächsten Treffen aggressiver auf Mitglieder des anderen Volkes reagierten. "Unsere Ergebnisse stellen die Vorstellung in Frage, dass Insekten wie Maschinen programmiert sind. Stattdessen zeigen sie ein Lernverhalten und sind nachtragend," erklärte Nehring.
Nachbarschaftsstreitigkeiten sind unter Ameisen alltäglich.
In ihren Experimenten erforschten die Wissenschaftler das Verhalten der Schwarzen Wegameisen unter kontrollierten Bedingungen. Sie ließen die Ameisen fünf Tage lang jeweils eine Minute lang aufeinandertreffen. Je nach Situation waren die Kämpfe zwischen den Ameisen mal mehr, mal weniger heftig. Positive oder negative Erfahrungen mit Nachbarn beeinflussten das zukünftige Verhalten der Ameisen maßgeblich. Wenn eine Begegnung wenig konfliktbeladen war, blieben die Ameisen bei weiteren Treffen gelassener, während negative Erfahrungen zu aggressiverem Verhalten führten.
Faszinierend ist, dass die Aggressivität der Schwarzen Wegameisen nicht nur von genetischen Unterschieden zu benachbarten Völkern abhängt, sondern auch von ihren eigenen Lernerfahrungen. Die Forscherin Susanne Foitzik aus Mainz bezeichnete die Studie als wichtigen Nachweis für die Lernfähigkeit von Ameisen. Ferner berichtete sie von ähnlichen Beobachtungen bei Sklaventreiberameisen, die oft feindliche Nester ausspionieren und dabei lernen, ihre Feinde zu erkennen und sich vorzubereiten.
Diese Erkenntnisse sind nicht nur für das Verständnis von Ameisenverhalten revolutionär, sondern könnten auch weitreichende Auswirkungen auf unser Wissen über das Lernverhalten von Insekten im Allgemeinen haben. Forscher arbeiten weiterhin daran, die Mechanismen des Lernens bei verschiedenen Insektenarten zu entschlüsseln, was letztlich zu neuen Einsichten in die Evolution des Lernens und Gedächtnisses führen könnte.